Echos der Bruderländer
Was ist der Preis der Erinnerung und wie hoch sind die Kosten der Amnesie? Oder: Visionen und Illusionen antiimperialistischer Solidarität
Workshops, Performances, Filmvorführungen, Podcasts, Erzählungen, Publikationen, Ausstellungen
Sommer 2023–Sommer 2024

Geburtstag im Wohnheim – Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam in der Unterbringung in Dresden, DDR, Februar 1987. Foto: IMAGO/Matthias Rietschel
Echos der Bruderländer ist ein auf drei Jahre angelegtes multidisziplinäres Projekt, das die komplexen Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und ihren sogenannten Bruderländern künstlerisch erforscht. Es umfasst Ausstellungen, Performances, Workshops, Filmvorführungen, Erzählungen, Podcasts und Publikationen. Ein besonderer Fokus liegt auf Kuba, Ghana, Mosambik und Vietnam. Unter allen Bruderländern hatten sie den größten Anteil exportierter Arbeitskräfte und sie teilen eine schmerzhafte Geschichte der Abschiebungen nach der Wiedervereinigung, verbunden mit einer fehlenden finanziellen Entschädigung für die Arbeitsleistung ihrer Bürger*innen. Dies sind auch die Länder, deren mit der DDR „geteilte Bürger*innen“ prominente und sichtbare Opfer von Rassismus und Ablehnung im wiedervereinigten Deutschland wurden. Doch wie viel wussten gewöhnliche DDR-Bürger*innen damals von deren Geschichte? Und wie viel weiß das Deutschland nach 1989 von ihnen?
Das Projekt macht sozio-politische Verhältnisse und psychologische Traumata vor und nach 1989 sichtbar. Es untersucht, wie die Bruderländer-Politik bis heute als eine Triebfeder von Rassismus und Fremdenhass nachwirkt. Solche gesellschaftspolitischen Zusammenhänge zu beleuchten und aufzuzeigen, wie sie die Demografie, Kultur, Wirtschaft und Politik Deutschlands weiterhin prägen, ist von zentraler Bedeutung. Möglich ist dies nur, wenn wir akzeptieren, dass Geschichte nicht vergangen ist, sondern sich kontinuierlich fortschreibt – und dass Pädagogik und politische Bildung für die Gestaltung gesellschaftlicher Gegenwart und Zukunft eine herausragende Rolle spielen.
Durch die Untersuchung von tiefenstrukturellen Beziehungen und Bruchstellen verlorener Hierarchien will Echos der Bruderländer den Preis ermitteln, den eine Gesellschaft für die Auslöschung von Erinnerung und Identitäten zahlt. Zeitzeug*innen aus der DDR und aus den Bruderländern Kuba, Ghana, Mosambik und Vietnam sowie bildende Künstler*innen, Architekt*innen, Musiker*innen, Historiker*innen, Sozialwissenschaftler*innen, Ökonom*innen und Politiker*innen sind eingeladen, mündlich tradierte Geschichten und Berichte beizutragen, die in kein Raster passen müssen, um so die Voraussetzungen zu schaffen für einen substanziellen Austausch, für gegenseitiges Verständnis und die Gelegenheit, voneinander zu lernen. Diese Darstellungen verfolgen das Ziel, eine antirassistische politische Bildung zu fördern und zu stärken, ohne dabei in pädagogisch bevormundender Weise eine vorgefasste politische Meinung durchzusetzen.
In seiner Herangehensweise legt das Projekt Wert auf einen offenen Prozess und Zugänglichkeit: Es erschließt wichtige historische Forschungen aus wissenschaftlichen und archivalischen Kontexten sowie mündliche Überlieferungen, Kunstwerke, kartografische Deutungen, Neuübersetzungen, Filme, musikalische Kompositionen und Radioaufnahmen in mehreren Sprachen für die Öffentlichkeit. Multidisziplinarität und Teilhabe bilden den Kern des Ansatzes, der das „Echo“ im Titel laut und deutlich widerhallen lässt; die Projektbeteiligten und das Publikum werden es auf vielfältige Weise weitertragen und verstärken. Eine Publikationsreihe, die sich der Gattung des Comics bedient, begleitet das Projekt und leistet eine Visualisierung und Kontextualisierung im Sinne seiner pädagogischen Ziele.
Kooperationspartner:
Heritage Space, Vietnam
Hanoi Ad Hoc, Vietnam
Foundation for Contemporary Art – Ghana
Savannah Centre for Contemporary Art Tamale, Ghana
Mbenga – Artes & Reflexões, Mosambik
Ríos Intermitentes, Kuba
Gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung
Gefördert durch Fonds TURN2 der Kulturstiftung des Bundes