Geboren in der Zeit des portugiesischen Kolonialregimes in Mosambik und lange im Südafrika der Apartheid beheimatet, hat sich Ângela Ferreira stets im Spannungsfeld zwischen kolonialen Systemen und den ihnen ausgesetzten Menschen bewegt. In ihrer kreativen Praxis greift sie diese Spannungen auf, setzt Interkulturalität, Identität und die Folgen von Kolonialität ins Verhältnis zu den komplexen Implikationen von Unabhängigkeit und Befreiungsbewegungen. Klutsis goes to Algeria nº2 führt ihre Forschung zu den dreidimensionalen Strukturen politischer Kommunikation fort, wie sie der russische Konstruktivist Gustav Klutsis Anfang des 20. Jahrhunderts entworfen hatte. Mit der Übertragung von Klutsis’ Zeichnungen in Skulpturen knüpft Ferreira an frühere Projekte an, deren Fokus auf der Verbreitung politischer Überzeugungen lag, insbesondere Rádio Voz da Liberdade [Radio Stimme der Freiheit], La Voix de l’Algérie Libre et Combattante [Die Stimme eines freien und kämpferischen Algeriens] sowie Radio Fanon. In diesen Arbeiten, in denen die Künstlerin die Bedeutung des Radios für die Befreiung ehemals kolonisierter Menschen aus Afrika untersucht, gilt ihr besonderes Augenmerk der Unterstützung Algeriens für portugiesischsprachige Dissident*innen des Salazar-Regimes.

Die Skulptur und zwei große Funktürme setzen die konstruktivistische Ästhetik Klutsis’ um, sind aber durch die Klangkomponenten des Werks gleichzeitig eine Hommage an die algerische Befreiungsbewegung. Ferreira kombiniert Auszüge einer Radiosendung von La Voix de l’Algérie Libre et Combattante – dem Radiosender der Nationalen Befreiungsfront FLN in Algerien während des Krieges gegen die französische Kolonialmacht in den 1950er und 1960er Jahren – mit Audiomaterial aus dem algerischen Film La Patrouille à l’Est [Patrouille im Osten], den Amar Laskri 1971 drehte. Mit Algerien als Ankerpunkt arbeitet die Künstlerin die gemeinsamen Züge der Befreiungsbewegungen im Süden und der Solidarität im sozialistischen Block heraus. Das Werk behandelt Süd-Süd-Solidaritäten und problematisiert damit das gängige Narrativ einer Blockmentalität, das den Osten gegen den Westen ausspielt.

In Auftrag gegeben vom Haus der Kulturen der Welt produziert von Ângela Ferreira and HKW, 2023–2024

Werk in der AusstellungKlutsis goes to Algeria nº2 (radio orators series) (2024), Aluminium, MDF-Platte, Plexiglas, Fotodruck auf Plexiglas, Klang, variable Maße, Audio 1′33″. Courtesy Ângela Ferreira