Im Rahmen seines Beitrags zum Projekt Echos der Bruderländer unternahm der Kunsterziehungskurs der 10. Klasse der Sophie-Brahe-Gemeinschaftsschule eine Spurensuche in der DDR. Am Potsdamer Rechenzentrum entdeckten die Schüler*innen ein Glasmosaik von Fritz Eisel im Stil des sozialistischen Realismus mit dem ausdrucksvollen Titel Der Mensch bezwingt den Kosmos. Eine der Tafeln zeigt einen Arbeiter im Blaumann, der neben sowjetischen oder deutschen Forscher*innen in weißen Laborkitteln steht. Gut möglich, dass er aus einem der ‚Bruderländer‘ der DDR stammte.

Um mehr über die Erfahrungen der ‚Vertragsarbeiter‘ zu erfahren, trafen sich die Schüler*innen mit zwei Zeitzeug*innen zum Gespräch. Ibraimo Alberto kam mit 18 Jahren aus Mosambik, um Sport zu studieren, musste aber trotz seines muslimischen Glaubens in einer Konservenfabrik Schweinekadaver zerlegen. Alina Simmelbauer folgte als erwachsene Frau den Spuren einer alten Postkarte aus Kuba, um ihren Vater, der in der DDR als ‚Vertragsarbeiter‘ gelebt hatte, zu treffen. Ihre Geschichten sind nur zwei von vielen, die zeigen, dass die Lebens- und Arbeitsrealität in der DDR nicht der Vision entsprach, die die Menschen aus den ‚Bruderländern‘ zur Übersiedlung veranlasst hatte.

Den Schüler*innen eröffnete sich ein Diskursraum, der Migrationserfahrungen, das eigene Ankommen und ‚Fremdsein‘ verhandelt. Teilweise kamen in den Familien zum ersten Mal Fragen nach der Sichtbarkeit von Migrant*innen im Alltag der DDR zur Sprache, aber auch solche zu den eigenen Wegen nach Deutschland. Syrien, Kosovo, Polen, Mosambik und Kuba wurden zu Stationen einer Zeitreise, die den damaligen Migrationserfahrungen zeitgenössische Resonanz verliehen. Anknüpfend an die Begegnung mit Eisels Wandgemälde mündete diese Reise in einer von den Schüler*innen erstellten Collage. Sie zielt darauf ab, ein Bild der ‚Vertragsarbeiter‘ zu zeichnen, das nicht nur die idealisierte Version ihres Lebens in den DDR-Fresken dekonstruiert, sondern mit dem Einbezug von Details individueller Lebensgeschichten auch darüber hinaus als Korrektiv dienen kann.

Beteiligte Schule: Sophie-Brahe-Gemeinschaftsschule mit Amélie Hilpert, Anjali Jagla, Ashley Mee, Aya Alfi, Hussein Ghoul, Jeany Thierfelder, Lena Bellach, Leona Hoxhaj, Leonie Rohde, Lillie Piellusch, Liliia Dremko, Levin Ramroth, Mariza Bäthge, Saphira Röhl, Sila Calgici, Tanja Trede, Rachel Kyeremeh
Lehrerin: Nadine Wünsche
Künstler: Simon Brunel (Atelier Limo)
Zeitzeug*innen: Alina Simmelbauer, Ibraimo Alberto

Werke in der Ausstellung:
Zwischen Traum und Wirklichkeit (2023–2024), kollektives Wandbild von Schüler*innen der 10. Klasse der Sophie-Brahe-Gemeinschaftsschule, Berlin, unter Anleitung von Simon Brunel (Atelier Limo) und Nadine Wünsche, Collage auf Papier, 7 Teile, je 84 × 84 cm, Filmprojektion