Gertraude Pohl zählt zu den wenigen Künstlerinnen, die zur Ästhetik der Kunst im öffentlichen Raum in der DDR beigetragen haben. 1976 gestaltete sie den Fußboden der Haupthalle des Palastes der Republik. In den 1970er und 1980er Jahren schuf sie Wandbilder für öffentliche Gebäude, darunter eine Reihe, die den „Kinder kombination“-Gebäuden – einer standardisierten Bauform für Kindertagesstätten – durch künstlerische Mittel Individualität verlieh. Durch ihr Studium an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Ostberlin und ihre Reisen nach Bulgarien, Rumänien, Aserbaidschan, Usbekistan, Kasachstan, Karelien und Finnland entwickelte Pohl eine abstrakte Sprache, die vom zeittypischen figurativen Stil des sozialistischen Realismus abwich. Pohls Fünf Fahnen (1986) entstand zusammen mit ihrem Wandbild (1986) für die Industriegebäude des VEB Stern-Radio in Berlin-Marzahn, jenem Werk, in dem seit 1970 Radiogeräte für die DDR hergestellt wurden. Die Wandbilder waren als visueller Beitrag zum Arbeitsumfeld des damals entstehenden innerstädtischen Industriekomplexes und der umliegenden Wohnbauten gedacht. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde das Werk geschlossen und Pohls Wandbilder wurden mutwillig beschädigt. Die Künstlerin ging gerichtlich gegen den neuen Eigentümer vor, doch die Schäden wurden bis heute nicht behoben, und es gibt immer noch keinen sichtbaren Hinweis auf sie als Urheberin der Arbeit.

Indem sie etablierte Narrative in Frage stellt, lenkt Pohls Arbeit die Aufmerksamkeit auf die Schwierigkeiten des gesellschaftlichen Übergangs in eine neue Ordnung. So auch in ihrem Flaggenprojekt Zeitlose Zeichen in Schwarz. Rot. Gold. (1991), das ursprünglich auf dem Berliner Alexanderplatz installiert war und Symbole der nationalen Einheit dekonstruiert, um bis heute neue Geometrien für eine kollektive Zukunft zu entfalten.

Werke in der AusstellungFünf Fahnen (1986), Honan-Seide, gefärbt, eine stoffliche Reminiszenz an das ehemalige Stern-Radio in Berlin-Marzahn, Emaille auf Stahl, fünf Stück, je 200 × 73 cm; Zeitlose Zeichen in Schwarz. Rot. Gold. (seit 1991), Flagge, Kunststoffgewebe, bemalt und appliziert, dreiteilig je 5 × 2 m. Courtesy VG Bild-Kunst, Bonn 2024, und Gertraude Pohl; Wandbild Eingang (1986), Wandbilder an Industriebauten, VEB Stern-Radio Berlin, Allee der Kosmonauten, Berlin-Marzahn, Industrieemaille auf Stahl, Schablonentechnik, vorgefertigt, vor Ort montiert, 4,8 m × 19,40 m (Fotodokumentation auf Alu-Dibond, 50 × 63 cm, Foto: Peter Garbe); Wandbilder Hochregallager (1986), Wandbilder an Industriebauten, VEB Stern-Radio Berlin, Allee der Kosmonauten, Berlin Marzahn, Industrieemaille auf Stahl, Schablonentechnik, vorgefertigt, vor Ort montiert, 3 Achsen je 20 x 6 m (Fotodokumentation auf Alu-Dibond, 63 × 50 cm, Foto: Peter Garbe). Courtesy Gertraude Pohl