Farkhondeh Shahroudi, die 1990 mit ihrem Sohn aus dem Iran nach Deutschland kam, verbindet in ihrer Praxis Kunst, Handwerk und Lyrik, um die überkommenen Trennungslinien zwischen Tradition und Technologie zu hinterfragen. Für Echos der Bruderländer wählt sie Bozorg Alavis Persisch-Deutsches Wörterbuch zum Ausgangspunkt einer poetischen Reise durch Sprachen, Geschichte(n) und Generationen. Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Bozorg Alavi (1904–1997) emigrierte 1953 als politischer Flüchtling von Teheran nach Ostberlin, wo er an der Humboldt-Universität das Zentrum für Iranistik gründete und moderne persische Literatur und Kultur lehrte. Alavis Wörterbuch, 1965 in der DDR publiziert, entwickelte sich rasch zur grundlegenden Ressource für die iranische Community in Deutschland. Mit ihrer Auswahl an Begriffen für ihre Performance und Textilarbeit schafft Shahroudi den Raum für Momente des Lesens und Lauschens. Das eigens für diese Ausstellung geschaffene Werk lässt sich als poetische Transaktion verstehen, die Brücken baut zwischen Worten in verschiedenen Sprachen, zwischen Zeiten und Welten. Shahroudi versteht das Textil als „Anti-Flagge“, die während ihrer Performance und später in der Ausstellung flattert, um Zugehörigkeiten und Territorien, die sich in und mit der Migration verschieben, Ausdruck zu verleihen. Damit widersetzt sich die Arbeit einer nationalistischen Aneignung der Flagge als Symbol, das Identitäten auf eine einzige Zugehörigkeit reduziert. Stattdessen verknüpft die Künstlerin Migrationsgeschichten durch Gedichte, die auf Bozorg Alavis Zeit in der DDR ebenso anspielen wie auf ihren eigenen, weniger weit zurückliegenden Weg. Gleichzeitig richtet sie aus einer feministischen Perspektive ihr Augenmerk auf die Gegenwart und damit auf Themen, die heute von besonderer Dringlichkeit sind.

In Auftrag gegeben vom Haus der Kulturen der Welt (HKW), produziert von Farkhondeh Shahroudi und HKW, 2023–2024

Werke in der AusstellungGedichte aus meinem Wörterbuch (2024), lyrische Performance; Auf den Kriegsfeldern, bitte die Blumen nicht zertrampeln (2024), Textil, Samt und Applikationen. Courtesy Farkhondeh Shahroudi

Gedicht aus meinem Wörterbuch, Aufführung von Farkondeh Shahroudi, Freitag, 1. März, 19:45.