Bullerengue
Practising Communitarian Joy and Resilience
2023–2027

Foto: Miguel Delgado G, Courtesy: Achicanoa, 2018
Die Bullerengue-Reihe ist Teil des fortlaufenden Programms Politics of Rhythm, mit dem das Haus der Kulturen der Welt (HKW) tänzerische und musikalische Praktiken fördert, um gemeinschaftliches Wissen weiterzuentwickeln und zu erhalten. Das HKW veranstaltet regelmäßig partizipative Bullerengue-Workshops, die von Live-Trommeln begleitet und von in der Überlieferung und Pflege dieser althergebrachten Tradition erfahrenen Künstler*innen geleitet werden. Auf diese Weise wird die kommunitäre Kunstform der afro-kolumbianischen Maroons, die als Referenz für emanzipatorische Praktiken dient, in Berlin lebendig gehalten. Durch das Vorhaben wird ein Raum für interkulturelles Lernen und sozialen Zusammenhalt geschaffen.
Bullerengue ist eine in der kolumbianischen Karibik und in der Provinz Darién in Panama beheimatete Rhythmusfamilie westafrikanischen Ursprungs. Praktiziert wird er in Ruedas oder Kreisen, bei denen die Teilnehmenden gemeinsam in mantraähnliche Refrains einstimmen, die Erhabenheit und innere Kraft zum Ausdruck bringen. Im erzählerischen Format von Ruf- und Antwortgesängen und als kollektive, improvisatorische Form von Musik und Tanz aktivieren diese bailes cantados – gesungene Tänze – ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Als generationenübergreifende Praxis der gemeinschaftlichen Fürsoge und des Wissenstransfers von älteren Frauen gepflegt, wird Bullerengue seit Jahrhunderten als Mittel zur Heilung, Freude und Stärkung der Widerstandskraft eingesetzt. Heute erinnert seine Ausübung an die in der afrodiasporischen Gemeinschaft verwurzelten Geschichten des Widerstands und schreibt diese fort. Seine Bedeutung und das spürbare Wohlbefinden, das er auslöst, hat viele Frauen und LGBTQAI+ dazu inspiriert, sich aktiv für seine Pflege und Weitergabe einzusetzen. Bullerengue eröffnet die Möglichkeit, Widerstand zu leisten, Trost zu spenden und Zeugnis von Lebensgeschichten zu geben, die aus lokalen Konflikten und systemischer Unterdrückung herrühren.
Mit der Wiedereröffnung von Acts of Opening Again – Eine Choreographie der Konvivialität im Sommer 2023 begann das HKW sein langfristiges Engagement als Gastgeber für community-orientierte rhythmische Kulturen. Den Anfang machte die Etablierung, Weiterentwicklung und Verankerung der Praxis des Bullerengue in Berlin. Dazu gab es zunächst die einführende Workshop-Reihe Bullerengue. Gemeinsam ernten, was wir säen, an der die Maestros Yarley Escudero (El Happy), Franklin Hernandez (Lukumi), Alvaro Llerena und Franklin Tejedor teilnahmen, und die Maestras Dely Prem und Emelina Reyes (La Burgos), Tamboleros (Trommler*innen), Cantadoras (Sänger*innen) und Bailadores (Tänzer*innen) aus San Basilio de Palenque und Palenque de Chucunate, Turbo, Kolumbien, den Herkunftsgebieten des Bullerengue. Die Workshops wurden von den in Großbritannien ansässigen kolumbianischen Kulturveranstalter*innen und pädagogischen Projektleiter*innen des Bullerengue Circle (Esteban Card & Valeria Pacific) gestaltet und ganzheitlich begleitet. Sie boten denjenigen, die an der Entwicklung einer Bullerengue-Musikpraxis interessiert waren, engagierte Unterstützung, monatliche Online-Follow-ups und die Möglichkeit, bei der abschließenden Rueda de Bullerengue am letzten Tag der Ausstellung O Quilombismo. Von Widerstand und Beharren. Von Flucht als Angriff. Von alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien zu spielen. Seitdem können die Instrumente auch außerhalb der regulären Sessions für Proben genutzt werden und der Klang der Trommeln ist Teil des Alltagsrhythmus des HKW geworden.
Zum Abschluss der Aktivitäten im Jahr 2023 waren alte und neue Teilnehmer*innen eingeladen, an Politiken des Rhythmus: Bullerengue teilzunehmen, einem Workshop unter der Leitung von Berliner Trommler*innen und der Vermittlerin von Folkloregesang Carolina Riaño sowie den Perkussionisten Leo Mejía und Dante Parraguez. Im Anschluss an den Workshop wurde der Dokumentarfilm Cantadoras. Memorias de vida y muerte en Colombia (2017) von María Fernanda Carrillo Sánchez gezeigt, in dem erläutert wird, wie traditionelle Musikpraktiken, wie der Bullerengue, zum Widerstand beitragen, indem sie die Erfahrung von Gewalt lindern und Auswege aufzeigen.
Im Jahr 2024 organisierte das HKW ein internes Unterrichtsprogramm, bei dem sich eine Gruppe von Interessierten regelmäßig traf, um die Gesangs- und Trommeltechniken des Bullerengue zu erlernen. Angeleitet wurden sie dabei von Riaño, Parraguez und dem Schlagzeuger Cristian Betancourt. Der Abschluss dieser internen Reihe von Bullerengue-Workshops wurde mit Politiken des Rhythmus: Rueda de Bullerengue. Trommeln, Tanzen und Singen als überlieferte Widerstandspraktiken und Communitywissen gefeiert und ging in eine neue Reihe von öffentlichen Veranstaltungen dieses Formats über, die in den folgenden Jahren fortgesetzt werden. Im Jahr 2025 werden die Vermittler*innen erneut von Mejía, den Tänzerinnen und Choristinnen Renata Puelma und Séraphime Reznikoff sowie anderen Enthusiast*innen und erfahrenen Praktiker*innen bei der Leitung der Sessions Ruedas de Bullerengue - Practising Communitarian Joy and Resilience unterstützt. Durch ihre Bemühungen und die Zusammenarbeit mit dem HKW und anderen Kultureinrichtungen in Berlin wollen sie das erste lokale Ensemble in der Stadt aufbauen, das sich dem Ziel widmet, die Wurzeln dieser traditionsreichen Kunst zu vertiefen.
Die Rueda ist ein offenes und einladendes Format, das am wirkungsvollsten ist, wenn es eine große Anzahl von Menschen auf eine konviviale und emotionale Weise einbezieht. Im Mittelpunkt stehen die Verbundenheit und die Vielzahl der Beteiligten, Eigenschaften, die die Grundlage für eine plurale und emanzipierte Gemeinschaft bilden. Um die existierenden Netzwerke innerhalb Deutschlands und Europas zu stärken, werden an einigen Sessions die in Hamburg ansässigen Musikpraktiker*innen und Vermittler*innen Camilo Angola und Ámbar F. Álvarez teilnehmen, die die traditionellen kolumbianisch-karibischen Musikgruppen Tambores del Diablo und Cantares del Elba leiten. Durch die Gemeinschaft, die ihre Arbeit fördert, wollen sie pädagogische Räume für die politische Bildung im Bereich der antirassistischen Arbeit schaffen, insbesondere in migrantischen Communities. Auf diese Weise ehren sie das Wirken der Maestros und Maestras, die das kulturelle Erbe am Leben erhalten haben, das in Vergangenheit wie Gegenwart dazu beigetragen hat, Gemeinschaften zu vereinen, ihre Ausgrenzung zu bekämpfen und Selbstbestimmung zu erreichen.
Im Einklang mit diesen Bemühungen stellt das HKW das ganze Jahr über regelmäßig interne Räume zur Verfügung, die von einer selbstorganisierten Gruppe von Bullerengue-Praktizierenden genutzt werden, von denen sich viele langfristig mit dem Prozess der Zugänglichmachung dieser kommunitären Kunstform beschäftigen. Damit ist ein wichtiger Raum für die Begegnung und Stärkung der Beziehungen zwischen Menschen aus Südamerika, der Karibik und anderen in Berlin lebenden Menschen entstanden. Wer Interesse an dieser internen Praxis hat, kann die Mitglieder des Netzwerks bei den öffentlichen Rueda-Workshops ansprechen.
Im heutigen soziokulturellen Klima Europas, in dem rechtsextreme und faschistische Politiken zunehmend versuchen, die Existenz von historisch marginalisierten Menschen auszulöschen, und migrantische Communitys ins Visier nehmen, sind sichere Räume, Solidarität und Unterstützung – wie sie durch das Bullerengue-Programm geschaffen wurden – von entscheidender Bedeutung, um weiterhin eine plurale, nicht-patriarchale, geschlechtergerechte und gleichberechtigte Zukunft aufzubauen.