Unter jedem anderen Namen
Weltweit ist eine deutliche Wende hin zu einer dunklen Form der Politik zu beobachten. Aller offensichtlichen Hinweise zum Trotz, scheut man sich, sie beim Namen zu nennen, aus Furcht anzuerkennen, dass der Faschismus existiert und weitverbreitet ist. Dieses Eingeständnis hinauszuzögern, hält die erstarkende Hydra allerdings nicht auf, sondern verzögert nur ein strategisches Nachdenken darüber, wie sie sich bekämpfen lässt. Die grundlegenden Prozesse, die den dämonischen Charakter des historischen Faschismus sichtbar gemacht haben, erschweren es zuweilen, die Dämonen des Gegenwärtigen und Alltäglichen zu erkennen. Sie nehmen viele verschiedene Gestalten an.
Man kann von ‚Faschismen‘ im Plural sprechen, als historische Wiederholungen, manifestiert in vielen, gelegentlich konkurrierenden Narrativen, die heimatbezogenen Obsessionen, Imaginationen und Ressentiments entspringen. In allen Fällen bildet der Nationalismus die Wurzel, wenn auch in pervertierter und übersteigerter Ausformung. Die wohl erfolgreichste politische Idee der letzten Jahrhunderte, die in jedem Land auf die eine oder andere Weise zur Wirkung kam, ist wohl der Nationalismus selbst – im Falle von Imperien und befreiten Ländern ebenso wie von Gemeinschaften, die nach Selbstbestimmung streben. Der Faschismus bildet jedoch, das haben die Debatten des zurückliegenden Jahrhunderts gezeigt, eine andere ideologische Formation als der Nationalismus. Sein Mangel an einem kohärenten ideologischen Angebot und einer klar erkennbaren Eigenheit wurden ebenfalls diskutiert.[1] Der Faschismus ist keine seltene und deshalb leicht in einer konkreten historischen Epoche eindämmbare Anomalie. Vielmehr stellt er eine Reihe an Symptomen dar, vielfältig und doch verbreitet, die aus dem Körper des Liberalismus erwachsen können und auf unterschiedliche Krisen zu verschiedenen Zeitpunkten in seiner Geschichte verweisen. Auch wurde bereits unterstrichen, dass der Faschismus sich nicht in erster Linie durch Repression, Demokratieverachtung oder Gewalt auszeichnet, sondern vielmehr durch das ihm eigene Ethos und seine Methoden.[2] Man könnte wohl argumentieren, dass der klassische Faschismus mitsamt all seiner ursprünglichen systemischen Gewalt bereits fest etabliert war, bevor er seine Vernichtungspläne in die Tat umsetzte, was in den ersten Jahren seines Auftretens in Italien weder offensichtlich noch unvermeidbar war. Und während das Ausmaß der Repressionen, der Demokratievernichtung und der genozidalen Gewalt des klassischen Faschismus einem kurz Einhalt gebieten mag, bevor man Analogien zu unserer Gegenwart zieht, ist es zumindest nicht so schwer zu erkennen, dass das Ethos und die Methoden des Faschismus sich immer stärker in unserer Welt durchsetzen. Tragischerweise bröckeln selbst die Argumente, dass die genozidale Gewalt grundsätzlich mit den heutigen Regimen unvereinbar sei.
Jeder Vergleich zwischen jener Epoche und unserer Gegenwart wird zurecht von der Gewissheit heimgesucht, dass vergangene Produkte historischer Epochen in keiner dem Original nur annähernd vergleichbaren Weise zurückkehren. Die fundamentalen Veränderungen der Produktionsweisen, die zwischen dem frühen 20. Jahrhundert und heute stattgefunden haben, und die Art und Weise, wie diese fast alle Gesellschaftsaspekte mitverändert haben, machen diese beiden Epochen so grundverschieden, dass die Vorstellung, sie könnten die gleichen ideologischen Reaktionen hervorrufen, äußerst schwerfällt. Wo könnte die Verbindung zwischen einem Zeitalter der Sehnsucht nach Selbstauflösung in einem ‚Volkskörper‘, der verehrt und ästhetisiert, perfekt und rein sein musste, mit unserer Zeit der obsessiven Individualität liegen? Wie könnte das letzte Jahrzehnt, in dem zutiefst soziale Aktivitäten zu einsamen Beschäftigungen geworden sind, wie Ein-Personen-Karaoke-Kabinen, sich in eine Zeit verwandeln, in der faschistische Modi auf allen Kontinenten erneut Fuß zu fassen scheinen? Ist es denn hilfreich, eine Bewegung, die den Krieg verherrlichte, ihn zur Tugend erklärte und den Tod feierte, mit Politiker*innen unserer Gegenwart – von den USA bis Mittel- und Osteuropa – in Verbindung zu bringen, die Frieden zu ihrem Leitspruch gemacht haben und das Verhandeln statt den Konflikt zur wahren Tugend erhoben haben? Ungeachtet der Tatsache, dass für Erstere die Bombardierung Irans und für Letztere, die Hinnahme der russischen Aggression dazugehört. Betrachtet man das Jahrhundert aber als Ganzes und den Faschismus als Reihe von Symptomen, in denen sich verschiedene Krisen widerspiegeln, dann erscheint dies alles weniger paradox. So können wir besser verstehen, was uns belastet.
Aus diesem Grund versuchen das Projekt und die Ausstellung Global Fascisms die unterschiedlichen Linien der Kontinuität wie auch des Wandels nachzuverfolgen. Sie widmen sich einer Geschichte, in der ausbeuterische Eliten Verluste und Ressentiments durch die dunklen Künste der Täuschung beherrscht und manipuliert haben. Sie blicken darauf, wie der Faschismus zu einem attraktiven verführerische Angebot wurde, das nicht ausgeschlagen werden kann, unkompliziert und ruinös, eine „endgültige Vereinfachung der Ruinen“[3]. Von der Sehnsucht nach seinen frühen architektonisch geschmeidigen Formen bis hin zu den perfiden Methoden, die Ästhetik zu manipulieren. Von unvorstellbarer Dummheit bis hin zu niederträchtiger Ignoranz. Von einer Form der Körperkultur und des Männlichkeitskult hin zur nächsten.
Damals wie heute raubte ein perverses Technologieversprechen die Zukunft aus unserer kollektiven Vorstellungskraft. Die vor hundert Jahren aufgenommene Geschwindigkeit des Futurismus raste auf die akzelerationistische Zerstörungswut zu und weist in eine Zukunft, die sich nur schwer durch eine demokratische Politik denken lässt, während sie in einem beängstigenden Fiebertraum in der Imagination der Tech Bros gefangengenommen wird. Der technologische Retter der Gegenwart, die KI, ist in der Tat furchterregend, zumindest als ideologisches Versprechen. Dies allerdings nicht, weil sie eine bestimmte Zukunft in Aussicht stellt, ob nun gruselig oder nicht, sondern gerade, weil sie sich keine Zukunft vorstellen kann. Die KI schöpft ausschließlich aus der Vergangenheit, aus allem, das bis jetzt geschaffen wurde. Ihre Gefahr liegt darin, dieses Inventar endlos neu anzuordnen und so die Möglichkeiten menschlicher Intelligenz, die eine Sinn ergebende Zukunft entwickeln könnte, zu ersticken. Sie ist das vollendete Werkzeug der Nostalgie.
Vor allem wurde, damals wie heute, gezielt Angst und Hass entfesselt, von Antisemitismus bis Islamfeindlichkeit. Immer neue Gruppen geraten ins Visier einer unablässig fabrizierten faschistischen Rhetorik: Individuen, die als LGBTQI+ oder BIPoC gesehen werden oder unter allgemeinere Zuschreibungen wie ‚Frauen‘ und ‚Ausländer‘ fallen, je nach lokalen Gegebenheiten, oft durchsetzt von einer allgemeinen Verachtung gegenüber allem, das als ‚woke‘ gilt.
‚Faschist‘ gilt heute zu Recht auch als Beleidigung, selbst wenn sie in den meisten Fällen eher ein höfliches Gespräch beendet als zu einer Klärung beizutragen. Der Faschismus endete in der Tat nicht mit dem Sieg über mehrere faschistische Regime im Zweiten Weltkrieg und er wurde auch ansonsten nicht aus dem höflichen politischen Gespräch der westlichen Welt verbannt, weder damals noch heute, auch wenn er nicht immer als solcher benannt wurde. Selbst in jenen Ländern, in denen 1945 faschistische Regime besiegt wurden, überlebte er in anderen Varianten. In Europa hatten die Regime von Francisco Franco in Spanien (1936–1975) und António de Oliveira Salazar in Portugal (1932–1974) tiefe ideologische Verbindungen zum italienischen Faschismus (wo der Begriff selbstverständlich seinen Ursprung hat). Francos Erbe der Gewalt gegen sein Volk lässt sich mit dem Mussolinis vergleichen.[4] Die Regime von Mussolini, Franco und Salazar glichen sich in vielen Aspekten. Spanische Soldaten kämpften an der Ostfront Seite an Seite mit Soldaten aus Italien und den anderen Achsenmächten, allerdings offiziell als ‚Freiwillige‘, ohne dass Spanien seinen Kriegseintritt erklärte.[5] Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Spanien militärischer Verbündeter der USA und Portugals, im Jahr 1949 Gründungsmitglied der NATO, zu der später das ideologisch sehr ähnlich gelagerte griechische Regime der Obristen (1967–1974) gehören sollte. Bis heute hat sich jeder spanische Ministerpräsident der Partido Popular (PP) dagegengestellt, dass Francos Statuen, sein Name und der Kult um ihn herum aus der nationalen Öffentlichkeit gebannt werden.[6] Die PP ist eine etablierte ,Mitte-rechts‘-Partei und gehört zu derselben Europäischen Volkspartei wie die deutsche CDU oder die polnische Platforma Obywatelska (Bürgerplattform), deren jüngster Wahlsieg ins polnische Parlament als Triumph über das rechtsextreme Vorgängerregime gefeiert wurde. Außerhalb Europas wäre es nicht allzu umstritten, Regime wie das von Augusto Pinochet in Chile (1973–1990) zu dieser engeren politischen Familie zu rechnen (wenngleich die Brutalität seines Regimes jene im Spanien der Nachkriegszeit bei weitem übertraf.) Und in Indien sind die Verbindungen zu sowie die Nachahmung des frühen europäischen Faschismus in der Rashtriya Swayamsevak Sangh und der derzeit regierenden Bharatiya Janata Party weithin bekannt.[7] Die schockierenden Aufrufe zu Massenmord und Vernichtungspolitik gegen Muslim*innen, die in zunehmender und beunruhigender Regelmäßigkeit aus den unteren Rängen dieser Organisationen zu vernehmen sind, erinnern in der Tat an die genozidale Geschichte des frühen Faschismus.[8] Aus diesem Grund ist es wichtig anzuerkennen, dass sich durch das gesamte vergangene Jahrhundert eine politische Kontinuität zieht und dass Regime und Parteien derselben Gesinnung stets präsent und fester Bestandteil des politischen Lebens in einer Welt mit nur wenigen ‚Brandmauern‘ waren.
Dennoch ist der Vorschlag dieses Projekts, den Begriff ‚Faschismen‘ zu verwenden, durchaus etwas provokant. Und als Randbemerkung und Eingeständnis: Die Provokation als Modus hatte eine glanzvolle Geschichte, in der sie vor allem als Instrument gegen etablierte Mächte aus unterschiedlichen Ecken der Linken heraus eingesetzt wurde; von der Linken zunehmend mit Misstrauen betrachtet, eignete sie sich die neue Rechte begierig an. So sehr sogar, dass die Propagandataktiken der neuen ‚Faschismen‘ im Kern auf Provokation beruhen. Unser Gebrauch des Begriffs soll hier jedoch in erster Linie die Kontinuitäten, Spiegelungen und Ähnlichkeiten dieser Amöbe hervorheben, die zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Dinge anbietet. Und dies noch stärker als andere ideologische Formationen, die lange Zeiträume und weitverlaufende Geografien überdauert haben.
In Bezug auf diesen letzten Punkt, und um noch einmal auf das enge Feld der Politik zurückzukehren, bieten Giorgia Meloni und ihre Partei Fratelli d’Italia vielleicht aufschlussreiche Beispiele. Italien war selbstverständlich zu verschiedenen Etappen der für uns hier relevanten Geschichte ein Vorbote, nicht zuletzt durch Benito Mussolinis Regime als europäischer Pionier im Zeitalter des klassischen Faschismus; mit Silvio Berlusconi als erster in einer Reihe von Populist*innen, die in der westlichen Welt in der Epoche nach dem Kalten Krieg aufkamen und als Vorreiter jener Fernseh-Polit-Hybride, die uns auch Trump beschert haben; und nun mit Meloni, die als erste Regierende möglicherweise eine neue Welle gleichgesinnter Parteien anführt, die an die Spitze zentraler EU-Mächte drängen könnten (vorausgehende Episoden in den östlichen Gebieten der EU außen vor gelassen, die innerhalb der politischen Landschaft Europas nach wie vor als marginal und politisch wenig wirkmächtig wahrgenommen werden). Obwohl Melonis Partei seit langem eine hinlänglich dokumentierte Bewunderung für Mussolini bekundet und ähnliche Ziele wie er verfolgt, belegt sowohl durch öffentliche Äußerungen früherer Jahre wie auch durch neuere geleakte Aussagen,[9] bewegen sich die bislang von der Partei ergriffenen Maßnahmen eher im Rahmen dessen, was inzwischen zum Mainstream europäischer Politik geworden ist, zumindest bis jetzt.
Um zur Frage nach der Bezeichnung dieser Bewegung und Personen zurückzukehren, erscheinen ‚rechtsaußen‘ und ‚rechtsextrem‘ zu vage und insbesondere für eine Analyse der Wirtschaftspolitik der post-neoliberalen Ära wenig hilfreich. Die meisten dieser Bewegungen (mit einigen lauten und puristischen Ausnahmen) scheinen Deregulierung mit einer zumindest diskursiv ausgedrückten Distanz zur orthodoxen neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik zu verbinden. Wie weiter unten dargelegt, ist ihr weitreichender Erfolg in erheblichem Maße eine Reaktion auf die vielfältigen Krisen, die der Neoliberalismus selbst ausgelöst hat. ‚Rechtspopulismus‘ ist als Begriff treffender, um beschreiben zu können, wie die meisten dieser Regime in Bezug auf ihre jeweiligen politischen Gemeinschaften funktionieren. Doch selbst dieser Begriff erschließt nicht die volle Bandbreite der gesamtgesellschaftlich ablaufenden politischen Prozesse, durch die diese populistischen Bewegungen aufkommen konnten. Vor allem gibt er über das Politische hinaus kaum Aufschluss über die tieferen sozial und kulturell auftretenden Prozesse, einschließlich der im Zusammenhang mit technologischen Veränderungen einhergehenden Phänomene ebenso wie der sich wandelnden Ordnungen des Begehrens und des Körpers, die sich in Gesellschaft und Kultur niederschlagen und mit diesen politischen Verschiebungen verbunden sind. Diese umfassenderen Aspekte bilden das Hauptinteresse dieser Ausstellung, gerade weil die einzigartige Fähigkeit der Kunst darin liegt, verschiedene Schichten des Lebens und der Kultur zu durchdringen und widerzuspiegeln. Sollte der Faschismus in seiner klassischen Ära eine komplexe Reaktion auf große gesellschaftliche Umwälzungen gewesen sein, so bieten seine Keime und Sprösslinge, die weltweit noch tief verwurzelt geblieben sind, einen fruchtbaren Garten für die aktuelle gesellschaftliche Welle, die wir globalen Faschismus nennen.
Dieses Projekt möchte allerdings mehr anbieten als eine Aufzählung besonders böser Männer (und einiger Frauen), die an solch unterschiedlichen Orten wie den USA, Russland, Israel, den Philippinen, Italien, Ungarn, der Türkei, Brasilien oder Indien an die Macht gekommen sind und ohnehin schon zu einem großen Teil wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor internationalen Gerichten und diverser anderer Straftaten vor nationalen Gerichten angeklagt wurden.[10] Mehr noch als der bloße Fingerzeig auf diese Gruppe von Schurkische Gruppe, soll dies ein Versuch sein, der Logik der Katalogisierung aller düsteren Vorzeichen für die Weltlage zu entkommen. Dahinter steht ein an sich völlig nachvollziehbarer psychisch trostreicher Reflex, mantraartig all jene Orte wiederholt aufzuzählen, die mit ähnlichen Problemen wie man selbst konfrontiert sind, um sich zu vergewissern, dass es sich um ein geteiltes Leid handelt und man also nicht allein im Dunkeln steht. Diese Methode besitzt allerdings offensichtliche Grenzen.
Dieser Text wie auch die Ausstellung enthalten eine Kartografie unterschiedlicher Regime, Länder und Kontexte. Sie unterscheiden sich erheblich in ihren Diskursen, ihren Konfliktfeldern und letztlich auch in dem Ausmaß, in dem faschistische Ideen in Gesellschaft, Politik und Führung eingedrungen sind. In den meisten bleibt der Faschismus eine lauernde Gefahr, die die Zügel noch nicht übernommen hat; andere jedoch liefern eine eindringliche Mahnung, was bevorstehen könnte.
Die Ausstellung findet in Deutschland statt, dessen führende mörderische Rolle in der Geschichte des Faschismus nach wie vor die Grundlage dieser Debatten bildet. Zudem ist es ein Land, in dem die vom Verfassungsschutz offiziell als extremistisch eingestufte AfD laut aktuellen Meinungsumfragen vorne liegt.[11] Was jedoch Migration, Zensur oder die Unterdrückung des pro-palästinensischen Aktivismus betrifft, lässt sich der Unterschied zwischen der AfD und den offiziell als Mitte geltenden Parteien in Deutschland nur schwer erkennen.
Flüsse aus Blut und Meere der Verzweiflung
Eine Erklärung der tieferliegenden Ursachen für die Entstehung des Faschismus zu liefern, ließe sich vielleicht mit der quälenden Aufgabe vergleichen, sich durch die zahllosen Opfer des Römischen Reichs zu bewegen, die als Grund für dessen Untergang herangezogen werden. Versuchen wir es dennoch. Zunächst: Wie begann die neue Welle des Faschismus? Zwar lassen sich, wie oben ausgeführt, vielfältige Kontinuitätslinien zwischen der Gegenwart und dem Faschismus des frühen 20. Jahrhunderts (sowie den romantischen Erfindungen des Nationalismus im 19. Jahrhundert) ziehen, doch ist kaum zu leugnen, dass wir es mit einer neuen Welle zu tun haben, die jene diskreten, nie ganz aus der Öffentlichkeit verschwundenen Strömungen faschistischen Denkens verstärkte und zum Anschwellen brachte. Neue Katalysatoren müssen also zu diesem jüngsten Prozess beigetragen haben.
Im Kern trägt der Faschismus ein entweder komplett imaginäres oder sehr reales Gefühl des Verlusts. Der Faschismus des frühen 20. Jahrhunderts explodierte mit den weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, die aus den Verlusten des Ersten Weltkriegs hervorging. Dazu gehörten die immensen Verluste an Menschenleben, die den gewaltsamen Tod von Europäer*innen auf europäischem Boden in einem seit der Herrschaft Napoleons, und in einigen Regionen seit den Konfessionskriegen des 17. Jahrhunderts, nicht mehr bezeugten Ausmaß normalisierten;[12] der Verlust imperialistischer Hoffnungen und die Kriegsniederlage Deutschlands, Österreichs, Ungarns oder Bulgariens, aus dem sich in diesen Ländern die meisten Argumente für faschistische politische Diskurse ziehen ließen (eine Argumentationslinie, die im Falle Ungarns und seines durch den Vertrag von Trianon[13] ausgelösten Verlusttraumas bis heute eine zentrale Rolle im politischen Diskurs des Landes spielt); und der Verlust des Vertrauens in den Mythos der europäischen Zivilisation und wirtschaftlichen Integration, die unweigerlich zu Frieden und Stabilität führen würden[14] (dies setzte erst nach fast einem halben Jahrhundert des Friedens zwischen den europäischen Großmächten und einer wirtschaftlichen Integration ein, wie sie bis in die letzten Jahre des 20. Jahrhunderts nicht mehr erreicht wurde).
Entscheidend für die Entstehung des Faschismus waren jedoch in erster Linie die immensen sozialen Umwälzungen in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, mitsamt der beispiellosen Welle der Industrialisierung und Urbanisierung dieser Zeit, die die alte Welt auseinanderriss und Landschaften, Lebensweisen und Überzeugungen großer Teile des Kontinents bis zur Unkenntlichkeit transformierte. Zwar brachten diese Veränderungen auch viele Vorteile mit sich, etwa im Einkommen, der Lebensqualität, der Gesundheitsversorgung und so weiter, doch sie führten auch zum Verlust tradierter Netzwerke, lang bewährter Weltanschauungen, sozialer Organisationsstrukturen und religiöser Stabilität. Es ist kein Zufall, dass jene Teile Europas, die die industrielle Revolution erst später durchliefen (darunter Deutschland, Österreich, Italien,[15] Spanien, Ungarn oder Rumänien), nur wenige Generationen nach diesen radikalen gesellschaftlichen Umwälzungen meist auch jene Orte waren, an denen der Faschismus Fuß fassen und die Macht an sich reißen konnte. Ebenso entscheidend für die Geburt des Faschismus waren die enormen intellektuellen Veränderungen an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten wurde das gesamte Universum mitsamt seiner grundlegenden Gesetze der Physik durch die Relativitätstheorie neu gedacht; die menschliche Psyche eröffnete sich mit dem Aufkommen der Psychoanalyse zu einem Feld, das es zu erforschen, zu heilen oder zu verändern galt; Menschen konnten fliegen; die Kunst verlor ihre in Europa seit Jahrhunderten unverbrüchlich gebliebene Grunddefinition, und eine neue beeindruckende und verführerische Kunstform, das Kino, tauchte scheinbar aus dem Nichts auf und eröffnete neue Möglichkeiten der Darstellung und Beeinflussung. Diese Neuerungen und Errungenschaften führten zu einem Gefühl des Verlusts der alten Wissenssysteme, Dogmen und Institutionen, ebenso wie ganzer intellektueller Kreise und Bezugssysteme.[16] Auch ist es kein Zufall, dass einige der folgenreichsten Ideen des europäischen Faschismus zeitgleich und in unmittelbarer Nachbarschaft zu den revolutionärsten Ideen in Wissenschaft und Kunst, in Wien und Paris, entstanden sind.
Und doch wäre es trügerisch, den Ursprung des Faschismus woanders als bei den Eliten selbst zu suchen. Wirtschaftliche und politische Eliten, die im Angesicht des sich ankündigenden sozialen Wandels oder des Aufstiegs einer neuen konkurrierenden Elite ihre Macht erhalten wollten, haben schon oft faschistische Ideen und Bewegungen instrumentalisiert. So waren faschistische Projekte oft eine Antwort auf (oder eine Vorbeugung gegen) revolutionäre Bewegungen von links. Die gegenwärtige Welle kann auch als Reaktion auf die weltweit aufgekommenen sozialen Bewegungen gesehen werden, selbst wenn diese diffuser und ideologisch uneinheitlich sind. Tatsächlich gab es in den letzten anderthalb Jahrzehnten seit dem Ende des Kalten Krieges eine beispiellose Reihe an Protestbewegungen. Dazu gehören, um nur einige zu nennen, der Arabische Frühling (2010–2012) mit darauffolgenden Protesten in Algerien (2019–2021), im Sudan (2019–2022) und im Libanon (2019); mehrere Protestwellen im Iran (2008–2009, 2017–2018, 2021–2022), in Südafrika (2017), in Nigeria (2020), im Senegal (2024) oder in Kenia (2025); die unter #MilkTeaAlliance bekannte Protestwelle in Hong Kong (2012, 2014, 2019), Taiwan (2014), Myanmar (2021 bis heute) und Thailand (2020–2021); die Euromaidan-Bewegung in der Ukraine (2013–2014); die Gezi-Proteste in der Türkei (2013); Wahlproteste in Russland (2011–2013) und die weltweiten Occupy-Proteste (2011). Die meisten sind in ihren Zielen gescheitert und der Eindruck entstand, dass Protestbewegungen immer weniger Kraft besitzen, revolutionäre Veränderungen von der Straße aus herbeizuführen.
Die zweite den Faschismus stützende Säule, sowohl historisch wie auch heute, ist das koloniale Projekt – seine Flüsse aus Blut und seine Meere der Verzweiflung. Jahrhunderte vor dem Nationalismus des 19. Jahrhunderts, dem biologistischen Rassismus und der formellen Herrschaft über weite Teile des Globus entwickelte Europa bereits Diskurse der Entmenschlichung anderer und perfektionierte Werkzeuge zur Verwaltung von Ausbeutung. Die Zuckerplantagen der frühen Atlantikepoche, Fabriken des Todes und der Extraktion, von denen die meisten Teile Europas profitierten (einschließlich der in der frühen kolonialistischen Unternehmung weniger sichtbaren Gebiete, wie etwa die Territorien des Alten Reichs), waren grundlegende Momente in der Konzeptionsgeschichte des Lagers.[17] Der Siedlerkolonialismus wiederum wurde mit seiner Vernichtungslogik zu einer weiteren grundlegenden intellektuellen Prämisse des europäischen Faschismus. Seine Spur reicht bis weit in die Nachkriegszeit hinein: Siedlerkolonien, die zu den Siegern des Krieges gehörten; politische Maßnahmen wie die gewaltsame Trennung Indigener Kinder von ihren Familien (zum Beispiel in Kanada, Australien oder Grönland), die dann in Bildungseinrichtungen landeten oder sogar zur Adoption freigegeben wurden; Zwangssterilisationen und andere eugenische Maßnahmen; ebenso wie kulturelle und ökonomische Zerstörung.[18] Und es setzt sich bis zum heutigen Tag fort, etwa wenn Verdrängung durch Vernichtung begleitet wird von Landraub, Massenvertreibung und Mord durch siedlerkoloniale Projekte.
Verlust und Verachtung, Verlierer*innen und Gewinner*innen
Vor dem Versuch, die zur neuen Welle des globalen Faschismus führenden Verluste nachzuvollziehen, sollten einige Punkte erwähnt werden. Es bestehen konkrete materielle Bedingungen, damit Verluste also solche erlebt, statt bloß der mit jeder Generation fortlaufenden Vergänglichkeit alles Menschlichen und dem gewöhnlichen Verschleiß aller menschengemachter Dinge, Ideen, Moden, Gegenstände oder Bauwerke zugerechnet zu werden. Sicher gibt es Zeiten, in denen das Fortschrittsversprechen der Geschichte die Verluste irrelevant macht. Und es gibt noch mehr Momente, in denen der Lauf der Geschichte wie angehalten scheint, nichts verändert sich, nichts wird hinzugewonnen, nichts verloren. In diesem Sinne ist die akute Wahrnehmung eines Verlusts also außergewöhnlich, wenn sie sich einstellt. Verluste sind auch relativ. Wenn man sich Gruppen anschaut, die ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verluste als die größten wahrnehmen, und die dazu neigen, die lautstärksten Befürworter*innen von ressentimentgeladenen faschistischen Bewegungen zu sein, dann sind dies wohl kaum die am stärksten marginalisierten Gruppen der Gesellschaft. Oft handelt es sich dabei um jene, die von einem System profitierten, von dem andere nichtsdestotrotz noch mehr profitierten. Schließlich sind Gefühle des Verlusts, wie auch der Nostalgie, selbstverständlich nicht auf faschistische Begierden beschränkt, vor allem nicht in unserer Gegenwart. In weiten Teilen der westlichen Welt formuliert sich auch die Politik der Mitte um eine Sehnsucht nach ‚besseren Zeiten‘ herum.
Um also unser Gespräch über Verluste in der Euro-Atlantischen Welt, dem Geburtsort des Faschismus, und bei der Wirtschaft zu beginnen: Die letzten Jahrzehnte waren in dieser Region von einer weitverbreiteten Stagnation des Lebensstandards geprägt, ausgelöst durch den globalisierten Kapitalismus und vor dem Hintergrund einer beispiellosen Vermögensbildung an der Spitze. Die frühe neoliberale Phase der 1980er Jahre schuf für einige Wohlstand und weckte gleichzeitig einen gewissen Optimismus, dass diese wirtschaftlichen Gewinne auch einer breiteren Schicht zugutekommen würden (in Ronald Reagens Trickle-down-Ökonomie finden wir nur eines der Beispiele). Dies setzte sich in den 1990er Jahren fort, vor allem weil das Ende des Kalten Krieges neuen Anlass für Optimismus bot. Die Krise von 2008 setzte dem ein Ende. Dieser Finanzcrash schuf einen fruchtbaren Boden für die Verachtung der globalen Wirtschaftselite und der von ihr vertretenen Werte der Globalisierung, mit all den sich daraus ergebenden Folgen für die internationalen Beziehungen, die sich daraus ableiten. Die Arroganz der Sieger*innen, jene also, die diesen Zyklus heil überstanden, leistete hierzu ihren Beitrag. Die der Zeit rund um die Finanzkrise an Bedeutung gewinnenden sozialen Medien erlaubten nun den meisten Menschen mit Internetanschluss weltweit, Teile der Gesellschaft hautnah mitzuerleben, ohne den Filter der traditionellen Medien dazwischen. Viele erkannten, dass die Privilegierten in der Tat unausstehlich sein konnten, und dass ihr trotz der von vielen gefühlten Turbulenzen wachsender Reichtum obszön war. Während traditionelle Medien früher noch den Wohlstand der Elite als ferne und doch erstrebenswerte Welt darstellen konnten, ließen die sozialen Medien ihn zwar näher und greifbarer aber auch unerreichbar und zutiefst abstoßend erscheinen.
Der Verlust des kommunistischen Horizonts im Jahr 1989[19] und die tiefgreifenden Auswirkungen, die dies auf linke Bewegungen hatte, machten sie unfähig, die Kämpfe der von der Globalisierung Entrechteten zu bündeln. In dieser Zeit entstanden weder ein politisches Programm noch eine Vision der Linken in Westeuropa oder den USA, die die rasant wachsenden Ungleichheiten thematisierten. Nichtsdestotrotz brachten diese Jahrzehnte anderen Bewegungen – unter anderem dem Feminismus und für LGBTQI+-Rechte – relativen Erfolg in kultureller und repräsentativer Hinsicht. Gleichzeitig verstärkte diese erhöhte Sichtbarkeit den Unmut jener Gruppen, die ihre vormals privilegierte Stellung in der Gesellschaft schwinden sahen und sich von der glitzernden globalen Wirtschaft und den Erfolgsgeschichten der progressiven Bewegungen ausgeschlossen fühlten.
Eine beliebte Trope der faschistischen Gleichung ist der Blick auf ein vergangenes, goldenes Zeitalter, ob nun real oder nicht. In Westeuropa, Nordamerika oder Australien reicht diese Projektion zurück in die 1950er und 1960er Jahre und damit in eine vor dem Neoliberalismus liegende Zeit, die das schnelle Wirtschaftswachstum, die robuste Sozialpolitik und die hohe soziale Mobilität der Nachkriegsjahre (sowie geringere oder kaum vorhandene Einwanderung und noch geltende Sodomiegesetze) heraufbeschwört. Dies war eine Zeit der sozialen Stabilität, in der die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Besserstellung noch lebendig oder zumindest plausibel erschien. Und man war von Menschen umgeben, die aussahen wie man selbst.
Mittel- und Osteuropa erlebten in den vergangenen Jahrzehnten einen dramatischeren Wandel, mit teilweise katastrophalen Vermögensverlusten in vielen dieser Länder, einer allgemeinen Zerstörung der sozialen Sicherheitsnetze und der Auflösung vieler politischer und kultureller Gewissheiten. All diese Veränderungen gingen einher mit dem Verlust der großen Hoffnung der 1990er Jahre (so naiv sie auch gewesen sein mag), zu vollwertigen und respektierten Mitgliedern auf dem europäischen Kontinent zu werden und an seinem wachsenden Wohlstand teilhaben zu können.[20] Weder fand die Umarmung aus vollem Herzen statt, noch glichen die Reichtümer des gesamten Kontinents früheren Zeiten. Gleichzeitig schienen die wirtschaftlichen Eliten wie auch die Minderheiten in dieser Region von der europäischen Integration zu profitieren, während viele aus der Arbeiter*innenklasse der Mehrheitsgesellschaft verschiedene Formen der Enteignung in ihren jeweiligen Ländern erlebten, die durch ein sich radikal veränderndes Wirtschaftssystem oder die Demütigung hervorgerufen wurden, als Arbeitsmigrant*innen in Westeuropa ihrer Ausbildung nicht angemessene Tätigkeiten zu übernehmen. Auch hier wirkte also der Traum von einem goldenen Zeitalter tröstlich. Die Phase des Nachkriegswachstums, die in vielen westeuropäischen Diskursen als Ideal galt, ließ jedoch angesichts der düsteren politischen Lage jener Jahrzehnte, die von Stalinismus und Unterdrückung geprägt waren, in Mittel- und Osteuropa nur begrenzt Raum für Nostalgie. So kam es zu einer Sehnsucht nach noch weiter zurückliegenden Zeiten. Von den vielen Beispielen aus Viktor Orbáns Ungarn, die die Aspekte der gegenwärtigen faschistischen Wende veranschaulichen könnten, lässt sich ein nebensächliches, aber aufschlussreiches finden: ein ausgesprochen kostspieliges Regierungsprogramm, das neben dem Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg beschädigten Burgpalasts in Budapest (eine auf unheimliche Weise an den Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin erinnernde Geschichte) die obsessive Restaurierung der Dachverzierungen von Gebäuden in der gesamten Hauptstadt, inklusive ihrer Belle-Époque-Details, vorsieht, die ansonsten das 20. Jahrhundert weitgehend überstanden hatten.[21] Diese Sehnsucht nach dem Prestige des Ancien Régime, als die Zugehörigkeit Budapests zum Herzen Europas kaum infrage gestellt wurde, findet weltweit ihre Anklänge. In den USA treibt dieselbe Sehnsucht nach einem diffusen goldenen und prächtigen Zeitalter Trumps zwischen den ansonsten widersprüchlichen Momenten des Klassizismus oszillierende Fantasien an, wie sich in seinem Versuch zeigt, den Klassizismus als offiziellen Stil neuer Bundesgebäude[22] durchzusetzen, wie auch in dem seine Inneneinrichtungen überziehenden Rokoko-Flair, von Hotellobbys bis zum Oval Office.
In der DDR, von der im übrigen Ostblock anfangs die weitverbreitete und lächerliche Vorstellung kursierte, durch ihre schnelle Eingliederung in den Westen als Teil eines vereinten Deutschlands der frühen 1990er Jahre das goldene Los gezogen zu haben, erwies sich der Verlust wohl als noch dramatischer: der Verlust eines Landes; der eigenen Gesellschaft; und einem Gefühl der Würde, befördert durch den massiven Verlust an regionaler Macht an Bürger*innen aus dem Westen.[23]
Die wahrscheinlich stärksten Verlustgefühle, sei es in der DDR, in Mittel- und Osteuropa oder im Westen, rührten jedoch von dem zunehmenden Eindruck her, dass gewählte Politiker*innen – und tatsächlich die Politik selbst – der neoliberalen Idee ausgeliefert waren, dass freie Märkte ungehindert funktionieren sollten, mit so wenig Regulierung und Aufsicht wie möglich.
Verfolgt man die Wahrnehmung von Verlusten und sozioökonomischen Dynamiken an anderen Orten, so sind im chinesischen Kontext mehrere Phänomene gleichzeitig aufgetreten, die auch an anderen Orten zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen dem Beginn des klassischen Faschismus und heute zu beobachten waren. Die kolonialen Interventionen Europas, der USA und Japans seit 1839 sorgen in China noch immer für Unmut und werden als ‚Jahrhundert der Demütigung‘ betrachtet. – insbesondere die japanische Besatzung und genozidale Politik (die von den Täter*innen bis heute nicht vollständig anerkannt wurde).[24] Diese Verärgerung fällt angesichts der tiefgreifenden sozialen Umwälzungen einer erst kürzlich urbanisierten Gesellschaft auf fruchtbaren Boden. China erlebt jedoch, oft in beschleunigter und übersteigerter Form, zeitgenössische Phänomene, die weltweit in anderen Kontexten ebenfalls zu beobachten sind. Die letzten anderthalb Jahrzehnte, die ansonsten von kontinuierlichem Wirtschaftswachstum und außergewöhnlicher Vermögensbildung geprägt waren, haben auch zu einem dramatischen Rückgang in der sozialen Mobilität geführt, wobei sich die Klassen verfestigten. Milliarden von Menschen wird zunehmend bewusst, dass der wirtschaftliche Horizont ihnen wohl doch nicht die unendlichen Verheißungen der vergangenen Jahrzehnte erfüllen wird. Dass dieses Leben nicht viel mehr als den gegenwärtigen Zustand zu bieten hat, kann überall als tiefgreifender Verlust empfunden werden, insbesondere dann, wenn man gerade erst eine der dramatischsten Phasen kollektiven und individuellen Aufstiegs erlebt hat. So befindet sich China zwar noch nicht so lange in einer Zeit der sozialen Immobilität (das letzte Jahrzehnt) wie die westliche Welt, doch die daraus resultierende Verbitterung wirkt ähnlich oder sogar noch stärker. Enttäuschungen dieser Art, die durch den Verlust eines Ausblicks entstehen, ermöglichten ideologische zum Nationalismus führende Manipulationen.
Während einige Aspekte des wachsenden chinesischen Nationalismus durch ihre Lenkung mittels Staatspropaganda Anklang an die Geschichte des frühen Faschismus finden mögen, ist sein rasantes Wachstum weitgehend auch auf die sozialen Medien zurückzuführen. Obwohl diese stark überwacht werden, sind Nischen des Zorns zulässig, und zwar fast immer im Zusammenhang mit nationalistischen Themen (weil diese Episoden scheinbar schrankenloser Empörung die sozialen Medien zum einzigen öffentlichen Raum in China machen, in dem individuelle Meinungsäußerungen möglich sind, kommt ihnen im Land ein unverhältnismäßig großer Einfluss zu.[25] Die Empörung über eine zunehmende Anzahl an Vorfällen, in denen ‚die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt‘ wurden, löst regelmäßig eine von Millionen getragene Welle der Wut aus. Dazu gehört die Erklärung Taiwans zu einem Teil Chinas, die Kontrolle über das Südchinesische Meer oder die Erinnerungspolitik rund um die japanische Besatzung während des Zweiten Weltkriegs.
Ein weiteres sensibles Thema, das vermutlich zu einer Serie an Ausbrüchen im Internet führen wird, sind erstaunlicherweise Pandas, diese niedlichen Tiere, die wie Drachen und Phönixe inzwischen zu den Symbolen des neuen Chinas zählen. Pandas finden im Rahmen offizieller diplomatischer Bemühungen ihren Einsatz, indem sie in öffentlichkeitswirksamen Gesten an Zoos auf der ganzen Welt verliehen werden. Die Gesundheit und Sicherheit dieser ins Ausland verschickten Tiere findet eine obsessive Überwachung im Internet. Jede Gewichtsabnahme, jede normale Alterungserscheinung dieser Superstar-Pandas wird in der öffentlichen Meinung als Misshandlung (und damit als nationale Demütigung) angeprangert.
Die Wut macht keinen Halt vor chinesischen Wissenschaftler*innen und Einrichtungen vor Ort, die sich um die Tiere kümmern und rund um die Uhr von überall in den Gehegen installierten ‚Panda-Kameras‘, die alles live ins Internet übertragen, überwacht werden. Diese seltene Gelegenheit, Kontrolle über Autoritätspersonen auszuüben, scheint in der Tat eine Basis der Selbstwirksamkeit für Bürger*innen darzustellen, da sie Einwände gegen diverse Aspekte des Lebens dieser Pandas erheben dürfen. Dazu zählen auch Unterstützungsmaßnahmen ihrer bekanntermaßen schwierig verlaufenden Fortpflanzung, unter anderem an ihre Genitalien gesendete elektrische Impulse. Deren Intensität können Bürger*innen im Selbstversuch nachprüfen.[26]
Fortzufahren, ohne in diesem Kontext auch das große Verlustgefühl anzusprechen, das die Kulturrevolution von 1966 bis 1976 in China hinterlassen hat, wäre schwierig. In dieser von oben gesteuerten Zeit, die dennoch ein Gefühl der Selbstbestimmung verlieh, wurden unzählige sowohl materielle wie immaterielle Kulturgüter Chinas zerstört. Statt die Kulturrevolution als Abweichung zu betrachten, die aus den Besonderheiten der kommunistischen Herrschaft hervorgegangen wären, ließe sie sich vielmehr als eine Amplifikation begreifen, als extreme Zuspitzung eines bestimmten Strangs innerhalb eines Gesprächs, das mindestens schon seit hunderten von Jahren geführt wird. Seit Anbeginn der Debatten rund um die während des ‚Jahrhunderts der Demütigung‘ stattfindende Modernisierung, war die Frage nach der traditionellen Kultur – was bewahrt und was abgestreift gehörte – ein zentrales Thema. Die Generation der Roten Garden hatte ihre Jugend damit verbracht, Tempel und antike Keramiken zu zerschlagen (und Millionen andere öffentlich zu demütigen, von denen viele diese Zeit nicht überlebten). Jene ‚kreativen Disruptoren‘, wie eine neuere aber daran anschließende Bezeichnung lautet, sollten später zu perfekten Vertreter*innen der neoliberalen, den individuellen Willen stärkenden Entwicklung[27] werden und entwickelten ebenfalls ein Gefühl der Melancholie und Sehnsucht nach der alten Kultur, die sie einst vernichten wollten. Tatsächlich haben viele von ihnen, die nach der wirtschaftlichen Öffnung Chinas große Vermögen anhäuften, ihren neuen Reichtum dazu genutzt, damals zerstörte Objekte wiederherzustellen (mehrere bekannte Sammler*innen chinesischer Antiquitäten hatten nachweislich eine Vergangenheit als Rotgardist*innen).[28] Museen, die mit diesen Sammlungen eröffneten, sind weniger an der Wiederherstellung der chinesischen Kultur mit ihrem eigenen ästhetischen System und einer Kultur der Wertschätzung interessiert, als daran, ein Archiv der Errungenschaften aufzubauen, das dem Narrativ einer ‚überlegenen‘ Kultur dienlich ist. Diese Museen, in denen eine übermäßige Verehrung für Objekte betrieben wird (oft basierend auf den exorbitanten Auktionspreisen), werden von einem Schuldgefühl heimgesucht. Oft wirken sie wie eine den Tatort verbergende Truhe, vergleichbar den europäischen Museen mit geraubten Artefakten.
Die Besonderheiten des chinesischen Regimes sind im globalen Kontext nach wie vor wichtig zu betonen. Die ideologischen Verbindungen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zum Marxismus-Leninismus sind nach wie vor ungebrochen und wurden in den letzten zehn Jahren weiter verstärkt. Mehr noch, die langfristige Planungsweise und die rationalistischen Werte, für die das Regime eintritt, scheinen es vor den Ängsten zu bewahren, die den durch methodische Unvorhersehbarkeit und strategische Irrationalität getragenen Populismus befeuern. Da es jedoch an einer Bestätigung durch Wahlen mangelt, leitet das System seine Legitimität aus einem stets unklar definierten ‚Volkswillen‘ ab, der schwer zu messen oder zu überprüfen ist und letztlich der Interpretation der Führung unterliegt, die sich in den letzten Jahren zunehmend auf eine einzige Person fokussierte. Und der Mainstreamdiskurs entwickelt zunehmend eine Form des Nationalismus, bei der man von einem Denken der Überlegenheit und der Ausgrenzung sprechen könnte, sowohl gegenüber ethnischen Minderheiten wie auch ‚unerwünschten‘ sozialen Klassen. Das zeigte etwa die massenhafte Zwangsvertreibung von (überwiegend Han-chinesischen) Wanderarbeiter*innen aus Peking im Jahr 2017.[29] Damit gerät China in eine gefährliche Nähe zu faschistischen Vorstellungen davon, was Entwicklung und Gesellschaft bedeuten.
In diesem Zusammenhang nimmt Hongkong eine besondere Stellung ein. In den vergangenen zehn Jahren kam es zu letztlich erfolglosen Massenprotesten für eine weitere Etablierung demokratischer Strukturen, die Großbritannien während der längsten Zeit ihrer Kolonialherrschaft nicht umgesetzt hatte und die Peking erst recht nicht anzubieten gedachte. Während dieser gesamten turbulenten Zeit ließen sich Prozesse beobachten, aus denen sich ein nationales Selbstbild der Bevölkerung Hongkongs formte, vergleichbar mit jenen, die hunderte von anderen Nationen in den letzten zwei Jahrhunderten hervorgebracht haben. Ob diese Idee von der vermutlich jüngsten aller erfundenen Nationen dieser Welt in der stark veränderten politischen Landschaft Hongkongs Bestand haben wird, ist ungewiss. Doch nur sehr wenige oder vielleicht auch gar keine erfundene und von ausreichend Mitgliedern angenommene Nation ist je wieder aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden.[30] Die jüngste und größte dieser Bewegungen in Hongkong, die Proteste gegen die Vertreibungen von 2019, mobilisierte Millionen Menschen aus dem gesamten politischen Spektrum. Sichtbar beteiligt waren jedoch auch rechtsgerichtete Gruppen, die ihre Sympathie für die britische Kolonialvergangenheit ebenso bekundeten wie ihre Unterstützung für US-Präsident Trump und dessen chinafeindliche Haltung, was wiederum eine noch stärkere nationalistische Gegenreaktion in China hervorrief.
In einer intellektuellen Debatte über das Wesen des nordkoreanischen Regimes, die weiterhin in Gang ist, sind mehrere Argumente für die zahlreichen das Regime kennzeichnenden faschistischen Momente vorgebracht worden.[31] Dazu gehören der übermenschliche Status der Herrscher, ihre behauptete Verbindung zu mythischen Königen und zum heiligen Berg des Landes, Paektu, ebenso wie all dies auf das Volk projiziert wird, um so die Idee der Nation zu prägen. Ebenso offensichtlich sind die Verbindungen zum japanischen und europäischen Faschismus: eine Obsession mit ethnischer Reinheit und die Vorstellung einer homogenen und in Bezug auf Ausländer*innen außerordentlich einzigartigen Nation (eine in Südkorea ebenso vertretene Position,[32] wo die vergangenen Militärregime und ihre gegenwärtigen Nachfolger sich recht nahtlos in die hier dargelegten Geschichten der Rechtsextremen einreihen könnten); die Streichung aller Verweise auf alle marxistisch-leninistischen und kommunistischen Passagen in Verfassungstexten zugunsten von Chuch’e und Sŏn’gun und deren allumfassenden ideologischen Angebote; das Auswechseln der Arbeiter*innenklasse mit dem Militär in den besagten Texten (wenngleich 2021 wieder rückgängig gemacht); und ein Gefühl der ewigen Opferrolle gegenüber externen Mächten.
Diese sich aus Verlust, Ressentiments und einer Sehnsucht nach der goldenen Vergangenheit speisenden Dynamiken können auch in Ländern wie Indien und der Türkei beobachtet werden. So wird beispielsweise die politische Ideologie des Hindutva in Indien weitgehend von sozialen Gruppen gestützt, deren Lebensstandard nach den liberalen Reformen von 1991 (und insbesondere im anhaltenden Wirtschaftswachstum der letzten zehn Jahre) gestiegen ist. Und doch stützt sich das ideologische Konstrukt dieser Bevölkerungsgruppen, die hauptsächlich aus neuen Stadtbewohner*innen bestehen, auf ein Gefühl des Verlusts, das sich auf ein fiktives goldenes Zeitalter eines rein hinduistischen Subkontinents vor der vielgeschmähten ‚Besatzung‘ des muslimischen Mogulreichs und dem anschließenden (paradoxerweise weniger gefürchteten) westlichen Kolonialismus bezieht.[33] Dies äußert sich in einer ständig anwachsenden Welle von wahllosen Episoden strukturellen kulturellen Revisionismus, kleinlichen Debatten zu lokalen Obsessionen, gelegentlich schockierenden Gewalttaten, Zusammenstößen mit dem Erzfeind Pakistan und einer Verschärfung des islamfeindlichen Diskurses mit annihilatorischen Untertönen,[34] noch weiter befördert durch die Zerstörung des Gazastreifens, die in der indischen Rechten eine breite Unterstützung gefunden hat. In der Türkei stützt sich die Herrschaft der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) ebenfalls in erheblichem Maße auf soziale Gruppen, die sich in der säkularen Türkei marginalisiert sahen. Vor allem habe eine Elite ‚weißer Türk*innen‘ profitiert, die seit der Gründung der Republik im Jahr 1923 die Wirtschaft, Politik und offiziellen Narrative weitgehend dominierte. Dieser Teil der Gesellschaft blickte beim Gedanken an ein goldenes Zeitalter eher auf eine osmanische Fantasie statt auf die kurze kemalistische Epoche, die eine andere Gesellschaftsordnung begünstigte.[35]
Der Aufstand gegen die etablierten Eliten bildete auch die Triebkraft hinter dem Aufstieg Rodrigo Dutertes auf den Philippinen, die zuvor von der als Dynastie verstandene Aquino-Herrschaft geprägt waren. Während Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei allerdings in erheblichem Maße einen Prozess des Elitenwechsels vorantrieb – hin zu den ‚Grey Turks‘–, gab es auf den Philippinen keinen solchen Prozess, sondern nur den Versuch, eine neue Dynastie an der Spitze zu etablieren. Einige Jahrzehnte zuvor wurden die Bürgerkriege in Liberia, 1989–1997 und 1999–2003 (sowie in Sierra Leone 1991–2002), weitgehend auf den Trümmern ausgetragen, die der Sturz der etablierten ameriko-liberianischen Minderheitenelite hinterlassen hatte. Jene regierte Liberia 133 Jahre lang und kontrollierte den Großteil der Wirtschaft. Der Völkermord in Ruanda 1994 wurde weitgehend durch Ressentiments gegenüber einer Gruppe, den Tutsi, angeheizt, deren Elite-Status (und sogar die Kriterien für ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe) zu einem erheblichen Maße auf koloniale rassistische Erfindungen zurückgingen, die nach der Unabhängigkeit jedoch weiterhin als Vorstellungen schwelten.
Was Russland betrifft, so kann man die Rolle, die Ressentiments in der heutigen Politik des Landes spielen, und die paranoiden Ideen Dugins, die diese Politik beflügeln, kaum überschätzen. Die unmittelbaren Argumente beziehen sich zwar auf eine aus dem verlorenen Kalten Krieg gespeiste Bitterkeit (im Land oft mit ähnlichen Begriffen beschrieben wie die Stimmung in Deutschland nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg), doch diese Geschichte reicht viel tiefer. Russland versteht sich in der dominanten Rhetorik (in einem Kontext, in dem historische Schnappschüsse und Versatzstücke europäischer Hochkultur als bedeutende soziale Währung zirkulieren), als drittes Rom.[36] Damit erbt es sowohl das Trauma eines zivilisatorischen Zusammenbruchs (und zwar in doppelter Wucht durch Rom und Konstantinopel), wie auch die Selbstzuschreibung als Nachfolger des Römischen Reichs. Spätestens mit der Putin-Ära sieht es sich zudem als Erbe der gesamten westlichen Zivilisation. Nach dieser Logik fiel das erste Rom wandernden Barbar*innen, Konstantinopel muslimischen Invasor*innen und die westliche Zivilisation beiden zum Opfer, erweitert um die ‚Gender-Ideologie‘. Die Angst- und Hass-Diskurse hören hier jedoch nicht auf. Eine aktuelle und exzentrische moralische Panik entfacht sich am Quadrobing, bei dem Kinder sich als Tiere verkleiden und deren Bewegungen nachahmen. Das Quadrobing hat für jene, die nach einer moralischen Empörung dürsten, alles im Angebot: verführte Kinder, Queerness – gewissermaßen, wenn auch in einer Spezies übergreifenden Spielart – und vermeintlich dahinterstehende westliche Machenschaften zur Entmenschlichung von Russ*innen. Selbstverständlich wurde das Phänomen umgehend verurteilt und ein offizielles Verbotsverfahren eingeleitet. Russland sieht sich im Grunde eher als ewiges Opfer Europas statt als großes europäisches Imperium, das selbst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wesentlich erfolgreicher darin war, seine eroberten Kolonialgebiete zu halten.[37]
Gleichzeitig wurde an all diesen Orten und auf der ganzen Welt ein weiterer Verlust empfunden, wenn auch nicht betrauert. Ein Verlust des Vertrauens in westliche politische Diskurse und Wirtschaftsmodelle, wobei sich beide gegenseitig beeinflussen. Letztere wurden durch die Wirtschaftskrise von 2008, durch die anhaltenden neokolonialen Ausbeutungsverhältnisse zwischen den nordatlantischen Ländern und dem Rest der Welt sowie durch den deutlicheren wirtschaftlichen Erfolg neuer Mächte außerhalb dieser Region stark beeinträchtigt. Was den politischen Diskurs betrifft, so wurde insbesondere die Menschenrechtsideologie der letzten Jahrzehnte durch die Doppelmoral der westlichen Institutionen gegenüber den Kriegen und Gräueltaten der letzten Jahre irreparabel kompromittiert, was zu einer erneuten Welle der Ablehnung gegenüber den ehemaligen Kolonialmächten und ihren Verbündeten geführt hat. Diese berechtigte Empörung hat sicherlich wichtige Diskussionen über die Förderung von Selbstständigkeit und die Vorstellung unterschiedlicher Formen nationaler und transnationaler Politik in verschiedenen Teilen der Welt ausgelöst. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass sie auch von Positionen des faschistischen Spektrums instrumentalisiert wurde.
Das mangelnde Vertrauen in die eigenen Diskurse und Modelle ist auch im Westen selbst deutlich zu spüren, weil der Verlust ihrer Führungsrolle in der Welt mit jedem geopolitischen Nachrichtenzyklus und vor allem jedem Wirtschaftsbericht immer offensichtlicher wird. Beispielsweise war der Verlust von Weltmarktanteilen für deutsche und ganz allgemein für westliche Automobilhersteller in den letzten Jahren geradezu katastrophal. Es wäre daher ein Fehler, den Aufstieg des Faschismus in den ehemaligen Kolonialmächten nur auf Probleme innerhalb ihrer eigenen Grenzen und Nachbarschaften zu reduzieren, so sehr die politischen Stimmen der extremen Rechten auch darauf konzentriert sind, diese zu kontrollieren. Das Kippen der größeren geopolitischen Waage, die allgemeine wirtschaftliche, politische und kulturelle Malaise in Europa sowie der weit verbreitete Diskurs über den imperialen Niedergang der USA dienen den neuen Faschist*innen auf beiden Seiten des Nordatlantiks als Kampfparolen, um bloß nicht in sanften Schlaf zu gleiten.
Dieser Fin-de-Siècle-Diskurs in den USA hat an sich schon destruktive Auswirkungen, da er eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wie auch einen Teufelskreis darstellt. Die offensichtlichen Paradoxien der US-Rechten, die es schafft, widersprüchliche Gedanken zusammenzuführen (das größte Land, das wieder groß gemacht werden muss und so weiter), wurden von JD Vance durch einen weiteren Verweis auf die römische Geschichte ziemlich schlau erklärt. Statt Parallelen zum Ende des Römischen Reichs zu ziehen, bezeichnete er die aktuelle Situation in den USA als ‚spätrepublikanische Epoche‘, ähnlich des Endes der 500-jährigen Römischen Republik. Herbeigeführt durch Caesars Diktatur war es nichtsdestotrotz der Beginn des Römischen Reichs, das wenige Jahrzehnte später von dessen Nachfolger Augustus eingeleitet wurde – eine Rolle, die Vance sicher selbst gern in den USA übernehmen würde. Die USA scheinen tatsächlich unsicher zu sein, was für ein politisches Netzwerk sie da zuhause und im Ausland aufgebaut haben. Viele Konzepte des klassischen Faschismus wurden von der US-amerikanischen Geschichte inspiriert, darunter rassistische Gesetze und das NS-Konzept des ‚Lebensraums‘.[38] Dieses Erbe sowie die gesamte Pax Americana scheinen der neuen US-amerikanischen Rechten nicht auszureichen, sodass Figuren wie Curtis Yarvin – der mit seinen Äußerungen über die Notwendigkeit, die US-Demokratie abzuschaffen, aus den dunklen Ecken des Internets aufgetaucht ist – von Vance und anderen hoch geschätzt werden.[39] Die USA suchen auch anderswo nach Vorbildern, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Dazu gehört die Bewunderung Trumps für die Golfstaaten, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien – elegant, vergoldet, aseptisch und unbeeindruckt von demokratischen Prozessen oder der Kontrolle durch die Justiz. Oder für das Modell Singapurs, das seit einiger Zeit weitverbreitete und große Bewunderung erfährt, vom restlichen Südostasien über Zentralasien bis hin zu einigen liberalen Stimmen in China, wo es eher als Vorbild für eine partielle Öffnung des Systems statt als Modell einer erhöhten neoliberalen Kontrolle herhalten soll. Und während die Wahl(en) Trumps sicherlich zum Impuls eines globalen faschistischen Trends beigetragen haben, folgt dieser doch weitgehend früheren Trends aus anderen Teilen der Welt, was ihn nicht zur ursprünglichen Inspiration für dieses neue Zeitalter des Autoritarismus macht. Währenddessen wird das von den USA geschaffene internationale System – aus dem es enorme Vorteile gezogen hat, mit sich selbst an der imperialen Spitze – durch viele Maßnahmen der Trump-Regierung von innen heraus gesprengt. Gleichzeitig erscheint Elon Musks DOGE-Experiment, Kernstücke des ideologischen Establishments der US-Macht in der Welt, einschließlich USAID und Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE/RL), zu demontieren oder Personen wie den 19-Jährigen mit dem Spitznamen ‚Big balls‘ in Positionen mit großer imperialer Verantwortung zu bringen, weniger radikal libertär als vielmehr millenaristisch und selbstzerstörerisch. Während die USA weiterhin von dem tiefen kolonialen Ehrgeiz der USA angetrieben werden, das Manifest Destiny zur Eroberung des Weltraums zu verwirklichen, scheint die Angst vor anderen imperialen Konkurrenten eher zu Selbstsabotage als zu einer Reise zum Mars zu führen. Die naheliegendste Parallele, die einem hierzu einfällt, ist das Wirken von Nongqawuse, eine Prophetin, die den Xhosa-König Sarhili 1856 bis 1857 mit Erfolg dazu brachte, alle Rinder des Königreichs abzuschlachten, als millenaristische Antwort auf den zunehmenden kolonialen Druck. Wie zu erwarten war, führte diese Aktion dazu, externen Kräften noch schneller zu erliegen.[40]
Es würde daher nur rational erscheinen, dass diese reaktionären Kräfte, die auf die wirtschaftliche Machtdynamik und auf akut empfundene oder in naher Zukunft befürchtete Verluste reagieren, kohärente (wenn auch eigennützige) Programme entwickelten, um die wirtschaftlichen Prozesse der Verarmung der Arbeiter*innenklasse umzukehren. Und doch scheint der zeitgenössische Faschismus in der Politik die er im Falle seiner Machterlangung fördert oder umsetzt, noch heterogener (und selbstzerstörerischer) als der klassische Faschismus (der keine kohärente Wirtschaftsideologie vertrat, sondern weitgehend auf das reagierte, was er instinktiv verachtete und sich auf das konzentrierte, was sich leicht in kurzfristig wirkenden, populistischen Vorschlägen verpacken ließ). In dieser vielfältigen politischen Landschaft erscheint der extreme Libertarismus des Argentiniers Javier Milei als Ausreißer, könnte aber auch schlicht der ehrlichere Vorläufer der Bewegung sein. Während Deregulierung und Libertarismus fast immer Teil des extrem rechten Diskurses sind, der sich um die Korruption des ‚deep state‘ und der schlafwandlerische Bürokratie dreht, haben viele Parteien der extremen Rechten Positionen bei Wahlen übernommen, die von gescheiterten linken Bewegungen hinterlassen wurden. Dies führte dazu, dass sie einige sozialdemokratische, protektionistische Ideen in ihren Diskurs integrierten, insbesondere in Europa, die jedoch oft als Teil des migrationsfeindlichen Diskurses instrumentalisiert werden.
Wichtig ist es auch, die Rolle der COVID-Pandemie zu erwähnen, die wie ein Flammenwerfer auf einen seit langem angehäuften Berg vertrockneter Blätter wirkte. Die Pandemie – wie der feuchte Traum von Akzelerationist*innen – untermauerte und belebte die apokalyptische Neigung der Rechten, wodurch ihr Katastrophenhunger in aller Brutalität zutage trat. Als das gesamte System fast überall und scheinbar über Nacht zusammenbrach, wurde eine zuvor unvorstellbare Alternative zur neoliberalen Weltordnung sichtbar. Die extreme Dimension der Reaktionen auf die Sicherheitsmaßnahmen verschärfte den Ton in allen anderen Debatten. Plötzlich schien alles möglich zu sein, weil die Pandemie gezeigt hatte, dass das Undenkbare möglich war. Als die Welt aus dem Lockdown heraustrat, behielt sie die bis zu diesem Moment meist den (halb-)anonymen sozialen Medien vorbehaltene Gewalt. Der Eindruck, dass Dinge, die lange unterdrückt worden waren, plötzlich akzeptabel werden könnten, verbreitete sich weltweit, von den USA nach den letzten Wahlen bis nach Bangladesch. Dort wurde, nachdem nach einer der wenigen erfolgreich auf der Straße erkämpften Revolutionen das autoritäre Vorgängerregime abgelöst worden war, eine diskursive und reale Gewalt in der Gesellschaft entfesselt; und dies in einer neuen von islamistischem Konservativismus und einer MAGA-Haltung durchsetzten Atmosphäre.[41]
Die COVID-Pandemie führte auch die Wissenschaft ins Herz des Kulturkampfs. Der Mann, der letztes Jahr fast Präsident Rumäniens geworden wäre, Călin Georgescu, ist ein extremes Beispiel für jemanden, der wissenschaftliche Grundsätze infrage stellt – nicht nur die Existenz des Virus, sondern sogar die chemische Zusammensetzung von Wasser und die Vorteile (oder den Mangel an Vorteilen) für das Tragen einer Brille. Sein Sieg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im November 2024 führte zu großen sozialen Unruhen im Land, die erst mit der Wiederholung der Wahlen im vergangenen Mai und seiner Disqualifizierung abebbten. Diese Zustände führten zu Episoden wie etwa dem intensiv diskutierten Schneefall im letzten Winter, insbesondere der Frage, ob es sich dabei um echten Schnee handele. Georgescus Ideologie[42] stellte eine recht eigensinnige Mischung aus Distributismus, nostalgischem Lokalpatriotismus, einem angepassten Duginismus wie auch eines radikalen Ökologismus, woraus sich neben all den andren Diskrepanzen der globalen faschistischen Bewegung ein Widerspruch zur anti-grünen europäischen Rechten und dem ‚Drill-Baby-Drill‘-Programm der USA ergeben hätte. Verwirrend war auch die provokative Abkehr vom gesunden Menschenverstand. Allerdings ist eine Lehre, die sich aus der jüngeren Geschichte ziehen lässt, dass diese neu auftretende Obskurität vielmehr ein Deckmantel für einen sehr konkreten Übernahmeplan ist.
Die globalen ‚Faschismen‘ bedeuten in gewisser Weise das Ende der westlichen liberalen Demokratie als erstrebenswertes Ziel. Sie entspringen einem grundlegenden Glaubensverlust an dieses System und seiner einzigartigen Fähigkeit, ein gutes Leben für ausreichend viele Menschen zu ermöglichen. Jenseits der Länder, in denen der Wohlfahrtsstaat durch das Anhäufen kolonialer Beute aufgebaut werden konnte, hat das System versagt. Es brachte den meisten anderen Regionen, in denen es umgesetzt wurde, bei weitem nicht denselben Wohlstand. Das ist weltweit zu spüren. Selbst in China war eine Art Horizont liberaler Konvergenz, offen oder meist implizit, Teil der Systemdynamik, bevor Präsident Xi nun die Wende einläutete. Dieser liberale Horizont ist nun verloren. Dies gilt auch für Russland, wo sich die Hoffnung auf eine Annäherung an den Westen in der unmittelbaren postsowjetischen Zeit zunächst langsam und dann plötzlich zerschlagen hat. Dieses versiegte Bestreben (das heute als naiv gilt) liefert in China und in noch stärkerem Maße in Russland einen an sich bereits fruchtbaren Nährboden für Ressentiments – ähnlich der Verachtung verschmähter Liebhaber*innen, die aus der Scham und Verleugnung unerwiderter Liebe entsteht.
Wie kann also das Ende einer Vision vom ‚westlichen Konsens‘, das nun unvermeidlich scheint und kaum noch über das bequeme Argument ‚des kleineren Übels‘ hinaus verteidigt werden kann, durch etwas anderes als faschistischen Nihilismus ersetzt werden? Was können wir stattdessen voranbringen? Es ist schwer zu glauben, dass ein erfolgreiches antifaschistisches Bestreben die Verteidigung des Status quo ante bedeuten soll. Kann die Linke ein erfolgreiches Szenario und einen Fahrplan ausarbeiten? Was können wir gemeinsam tun, das wirklich politisch ist, jenseits des Rückzugs in die Privatsphäre oder Mikrogemeinschaften, die scheinbar häufigste Reaktion auf die globale Bedrohung durch den Faschismus?
Soziale Medien und Kommunikationskollaps
Die Rolle der Sozialen Medien ist einer der am meisten diskutierten Faktoren im weltweiten Aufstieg des Faschismus. Doch wie genau ist diese Verknüpfung zustande gekommen? Zum einen fanden beide Phänomene relativ parallel im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ihre globale Verbreitung. Die Sozialen Medien haben eine Wut zum Hochkochen gebracht und durch die perfide Wirkung ihrer Algorithmen zunehmend hermetische und radikalisierte Echokammern geschaffen, in denen oft verzerrte Narrative und Unwahrheiten verbreitet werden. Jedoch handelt es sich bei der Wut- und Empörungskultur (wenn nicht sogar bei der Vorliebe für alternative Wahrheiten) nicht um spezifisch rechte Phänomene. Tatsächlich wurden viele rechte Reflexe und Praktiken im Zusammenhang mit unterschiedlichen progressiven Positionen entwickelt. Die hier genannten Punkte sind bekannt, allerdings spielen die Sozialen Medien bei der Förderung eines neuen faschistischen Klimas eine noch weitreichendere Rolle.[43] Konzentrieren wir uns auf vier Punkte.
Erstens haben sie die tiefliegenden Kommunikationsmuster großer Teile der Weltbevölkerung radikal verändert. Kommunikation war schon immer stark innerhalb kultureller und sozialer Kontexte kodifiziert, mit verschiedenen Vermittlungsmechanismen, die soziale Austauschprozesse (und Hierarchien) innerhalb stabiler Parameter einhegten. Die Sozialen Medien haben diese Kommunikationsmuster weltweit erschüttert; ein Umstand, der in den Diskussionen über die strukturellen gesellschaftlichen Veränderungen der letzten zwei Jahrzehnte nicht ausreichend anerkannt und berücksichtigt wird. Sie haben zwar Freiheiten (über Grenzen von Klasse und Kaste, Bekanntheit und Geografie hinweg) ermöglicht, die zuvor kaum möglich schienen, sie haben aber auch die vielen Normen abgeschafft, die soziale Konventionen aufrechterhielten.
Zweitens haben Soziale Medien eine psychologische Wahrnehmung geschaffen, in der die gesamte Welt miteinander verbunden wirkt. Der Zugang zu Sozialen Medien hat die Komplexität der verfügbaren Informationen und Nachrichten und die sich daraus ergebenden Ängste vor den sich unaufhaltsam anhäufenden Problemen massiv erhöht. Beim Faschismus ging es schon immer um einfache Erklärungen und Lösungsangebote für komplexe Realitäten.
Drittens machten die beispiellosen Werkzeuge der Sozialen Medien zur Externalisierung, Multiplizierung und letztlich Demokratisierung der Produktion von Unwahrheiten eine zentralisierte Propaganda überflüssig, die jener für den klassischen Faschismus so tragenden Form gleichen würde. Wenn Troll-Armeen, ob nun orchestriert oder größtenteils voneinander unabhängig, an der Erfindung und Verbreitung von Lügen mitwirken, bedarf es keines Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda mehr. Und eines der wichtigsten Merkmale der meisten faschistischen Bewegungen der Gegenwart war bisher, formale wie auch ästhetische Anlehnungen an den klassischen Faschismus zu vermeiden. Eine Ausnahme bildet wohl Russland, das sich durch seine zentrale Rolle beim Sieg gegen den Nationalsozialismus immun wähnt, während es formal getreue Nachahmungen klassischer faschistischer Symbole liefert; beispielsweise mit dem als „stilisiertes semi-Hakenkreuz“ bezeichneten ‚Z‘ (das seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kursiert[44]) und den rund um den russischen Präsidenten veranstalteten Massenkundgebungen.
Schließlich hat sich die Diskussion zum Postfaktischen während Trumps zweiter Amtszeit durch die seit seiner ersten weiterentwickelte KI in erheblichem Maße verändert. Wie wirkt es sich auf die Grundlagen der Wahrheit aus, wenn die Stimme, die spricht, nicht von einem Menschen stammt?
Gott und World Liberty Financial
In vielen Teilen der Welt lässt sich die faschistische Welle nicht von religiösem Fundamentalismus trennen. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass wir uns in einer global auftretenden Welle der Religiosität und ihrer politischen Ausprägungen befinden: ein politisch aktiver christlicher und evangelikaler Fanatismus in ganz Amerika, auf dem afrikanischen Kontinent[45] und in Teilen Asiens; eine den neuen Konservativismus fütternde christliche Orthodoxie in breiten Teilen der ehemaligen sowjetischen Gebiete, die auch eine tragende Säule des russischen Faschismus ist; eine religiös und messianisch motivierte Zersetzung der Politik und des öffentlichen Diskurses in Israel; der in weiten Teilen der Welt nach wie vor eine überzeugende Leitlinie bietende islamische Fundamentalismus; ein hinduistischer Neo-Faschismus in Indien; der Einsatz eines Neokonfuzianismus, um der kommunistischen Herrschaft in China weiterhin eine Legitimität zu verleihen; und das buddhistische Vorherrschaftsdenken in Süd-und Südostasien, einschließlich Thailand – wo die Symbiose dieser einen ausgesprochen pazifistischen Ruf genießenden Religion mit Militärregimen, königlichen Banden und Oligarchien[46] sowohl beunruhigend sind wie auch auf gruselige Weise der lateinamerikanischen Dreifaltigkeit aus Religion, Militär und fest verwurzelten Eliten ähnelt.
Auch muss erwähnt werden, dass die meisten dieser extremen Formen politischer Religion die Islamfeindlichkeit global ins Zentrum ihrer Diskurse gerückt haben. Die durch eine kulturelle Globalisierung ausgelöste Furcht vor dem Verlust religiöser Einheit und Identität lassen den Faschismus wie ein lokales Phänomen erscheinen, und die dem Ressentiment spezifische Politik kann oft unterschiedliche nationale Ausprägungen des Faschismus gegeneinander in Stellung bringen. Und so sehr er auch nativistisch begründet ist, sich in den Grenzen bestimmter Religionsgemeinschaften einschließt oder internationalen Ideen misstraut, er findet doch über globale ideologische Netzwerke seine Verbreitung. Dies war schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts so.
In den 1920er Jahren, die eine Zeit antikolonialer Unruhen waren, fand der buddhistische Faschismus in Sri Lanka ein Vorbild im italienischen Faschismus.[47] Im singhalesischen Kontext entwickelte er sich dann zu einer die tamilischen und muslimischen Bevölkerungsteile ausgrenzenden Ideologie, die schließlich zum Genozid an den Tamil*innen führte (der 2009 seinen Höhepunkt fand). Der buddhistische Faschismus Sri Lankas breitete sich auch nach Südostasien aus (auf derselben Route wie Jahrhunderte zuvor der Theravada Buddhismus), wo die faschistischen Kräfte Myanmars die Macht an sich rissen (sowohl vom Militärregime wie auch von der durch Aung San Suu Kyi angeführten ‚demokratischen Opposition‘, die eine entscheidende Rolle bei der Vertreibung Hunderttausender muslimischer Rohingyas im Genozid von 2017 spielte).[48] Jenseits der Welt des Theravada bildet die Vertreibung der hinduistischen Lhotshampa in den 1980er und 1990er Jahren durch das vom Vajrayana-Buddhismus geprägten Bhutan (bis zu einem Fünftel der Bevölkerung des Landes, von denen viele ihre Zuflucht in Nepal und später in den USA fanden, von wo sie kürzlich durch Trumps Antimigrationskampagne zurück ins Nirgendwo[49] eines nicht mehr existierenden Heimatlandes geschickt wurden)[50] ein isoliertes Beispiel, das bis heute zu den am wenigsten anerkannten Momenten ethnischer Säuberung gehört. Auf der anderen Seite wurde 1925 die paramilitärische Bewegung Rashtriya Swayamsevak Sangh in Indien (die derzeit über sechs Millionen Mitglieder zählt und eng mit der regierenden Bharatiya Janata Party verbunden ist) gegründet und entlehnte in ihren ersten Jahren ausdrücklich Ideen, Methoden und formale Merkmale sowohl der faschistischen Bewegung in Italien wie auch des Nationalsozialismus. Ihr heutiger Schwerpunkt liegt auf einem islamfeindlichen Reinheitsgedanken. Dies findet ein Echo in einer sehr anderen ideologischen Landschaft, nämlich der Verfolgung der Uigur*innen in China.
Die lange lateinamerikanische Geschichte faschistischer Regime unterschiedlicher Ausprägungen ist vielleicht am aufschlussreichsten im Hinblick auf die sich wandelnden Muster internationaler Netzwerke und wie sie sich auf die gärenden Entwicklungsprozesse des Faschismus auswirken. Von den frühen Erscheinungsformen des Bonapartismus in der gesamten Region, zumeist verkörpert durch reaktionäre konservative Diktatoren des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, über Getúlio Vargas’ Estado Novo (1937–1946) in Brasilien, wo eine Version des mediterranen Faschismus umgesetzt wurde; über Argentiniens einzigartige ideologische Mischung des Peronismus; bis hin zur Präsidentschaft von Laureano Gómez (1950–1953) in Kolumbien, durch die das Land bis zu seiner Absetzung an den Rand einer faschistischen Diktatur geführt worden war. Dazu kommen noch die massenmordenden antikommunistischen Militärdiktaturen während des Kalten Krieges wie jene unter Augusto Pinochet (1973–1990) in Chile oder Efraín Ríos Montt in Guatemala (1982–1983).[51] Ihr Vermächtnis setzt sich fort in einer neuen Generation diktatorischer Männer, darunter Alberto Fujimori in Peru (1990–2000)[52] oder Álvaro Uribe in Kolumbien (2002–2010), der seine große Bewunderung für den Laureanismo bekundete. In Kolumbien verantworteten jedoch auch rechte Paramilitärs wie der AUC (Autodefensas Unidas de Colombia, mit der Uribe in Verbindung stand)[53] und gelegentlich kaum von Drogenhändler*innen zu unterscheidende Gruppen faschistische Gewalt und soziale Säuberungen; ein Modell, das auch in anderen Ländern der Region zu finden ist. Schließlich begegnen wir in der Gegenwart dem Bolsonarismus,[54] der in Brasilien weiterhin eine Macht und Bedrohung bildet. Er spiegelt den doppelten Einfluss der trumpistischen Netzwerke weltweit wider, gefördert sowohl durch international agierende Figuren wie Steve Bannon als auch durch eine Vielzahl zunehmend extremistischer Thinktanks und in besonderem Maße durch verschiedene evangelikale Gemeinden in den USA. Nayib Bukule, der Präsident von El Salvador, war sogar noch erfolgreicher darin, ein autoritäres Regime in seinem Land aufzubauen als Bolsonaro. Dies gründet sich auf Forderungen nach sozialer Säuberung und der Errichtung riesiger, vorgeblich für Bandenmitglieder gedachter Internierungslager, die auch von der Trump-Regierung auf berüchtigte Weise genutzt wurden. Hinter Bukules faschistischem Millennial-Regime steht eine einzigartige Reihe an mächtigen Gruppen, nämlich die der Krypto-Netzwerke. Ihr Einfluss, der sich bereits über alle Kontinente erstreckt, dürfte in nächster Zeit wohl nicht abnehmen, wird er schließlich verstärkt durch die Begeisterung, die die neue US-Regierung und das Unternehmen World Liberty Financial für Kryptowährungen hegen.
Eng damit verbunden ist die Rolle, die führende Figuren des Silicon Valley bei der Verbreitung dieser Ideen spielen , darunter Peter Thiel, ein Mentor von JD Vance, und natürlich Elon Musk. Ihre millenaristischen Vorstellungen, Regierungsstrukturen niederzubrennen und letztlich eine CEO-Monarchie à la Curtis Yarvin aufzubauen, verbreiten sich auch in den globalen Polit- und Krypto-Netzwerken.[55] Ebenso ist die Vorgängerversion dieser Netzwerke, die Gruppe der Chicago Boys, deren Unterstützung für das Pinochet-Regime von grundlegender Bedeutung für die Wirtschafts- und Sozialpolitik in Chile war, heute noch aktiv.[56] Der argentinische Präsident hat seine sechs geklonten Hunde nach Milton Friedman, Murray Rothbard, Robert Lucas Jr. und so weiter benannt. Milei ließ diese Hunde dann auf den bei seiner Amtseinführung eingesetzten Präsidentenstab gravieren, in einer Geste, die bis zum römischen Kaiser Caligula zurückreicht, der bekanntlich sein Pferd zum Senator ernannte.
Die zuvor erwähnten evangelikalen Gemeinden aus den USA bilden aber vermutlich die einflussreichsten und am weitesten verzweigten Netzwerke zur Verbreitung rechtsextremer Ideologien. Die Flut an anti-queeren Gesetzesvorschlägen, die etwa in Ghana, Uganda und Rumänien eingebracht werden, geht direkt auf die Lobbyarbeit solcher Gemeinden zurück. Wie hochgradig koordiniert sie vorgehen, zeigt sich anhand der in verschiedenen Ländern zu beobachtenden Verbreitung deutlich abgestimmter Argumente und Formulierungen, wie beispielsweise dem Schreckgespenst einer aus ‚Elternteil 1‘ und ‚Elternteil 2‘ bestehenden Familie, die traditionelle Geschlechterrollen bedrohe. Den evangelikalen Netzwerken gelingt es zudem, ihren Einfluss über ihre gläubigen Anhänger*innen hinaus auszuweiten. Das zeigt etwa die Übernahme ihrer Agenda und Strategien durch offizielle christlich-orthodoxe Bewegungen in Mittel- und Osteuropa oder in politischen Kreisen, die offiziell keiner Religion anhängen, zu deren vielen Beispielen Taiwan und Hongkong gehören. Der christliche Extremismus nimmt allerdings noch andere gewalttätige Formen an, darunter die Lord’s Resistance Army (LRA)[57] im Norden Ugandas. Und doch, wie könnte man die Herrschaft von Yoweri Museveni (gegen den die LRA kämpft) und den wachsenden Personenkult um ihn herum beschreiben, wenn nicht als faschistisch? Dies steht in einer vertikalen Kontinuität historischer Zyklen der Generation Idi Amins (gegen den Museveni kämpfte) und lateral zu anderen Regimen des Kontinents, die am Kult rund um ihre Führer weit über ihr Verfallsdatum hinaus festhalten. Doch Diskurse des Hasses nehmen auf dem afrikanischen Kontinent noch schärfere Formen an. Eine Inspirationsquelle für zeitgenössische Apartheidsformen liegt wohl im umfassendsten und erkennbarsten rassistischen Staat der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dem Apartheidregime in Südafrika. Zugleich sind dort bis heute noch Gruppen in und außerhalb der parlamentarischen Politik aktiv, die der White Supremacy anhängen. Auch die südafrikanische Operation Dudula, eine fremdenfeindliche Bewegung gegen Schwarze Migrant*innen aus allen Teilen des Kontinents, gewinnt an Stärke.[58]
Bewegungen mit dem Ziel einer ethnischen Vorherrschaft haben auch die politischen Diskurse, die in den letzten dreißig Jahre in Äthiopien geführt wurden, maßgeblich geprägt; die Kriege in Tigray, Amhara und Oromia sind nur der gewalttätigste Ausdruck hierfür. Die Nachwirkungen des Völkermords in Ruanda setzen sich in paramilitärischen Gruppen fort, die im Ostkongo aktiv sind und direkt an die genozidalen Milizen der Hutu wie die Interahamwe und Impuzamugambi anknüpfen oder diese nachahmen. Doch erneut, in welche andere Kategorie könnten wir Paul Kagames geordnetes Regime des nationalen Wiederaufbaus und der Unterdrückung abweichender Meinungen im neuen Ruanda einordnen, wenn nicht in dieselbe Kategorie wie die anderen hier diskutierten? Im Ostkongo teilen sich diese Milizen einen Raum der Gewalt mit Söldner*innen aus Europa, von denen viele in ausdrücklich faschistischen paramilitärischen Gruppen organisiert sind – nicht ohne Verbindungen zur berüchtigten russischen Gruppe Wagner, die auf drei Kontinenten operiert. Solch eine Gruppe wurde verhaftet, als sie mit einer Wagenladung Waffen in Richtung Bukarest fuhr, etwa zur Zeit der umstrittenen Präsidentschaftswahlen.[59]
Simps, Soy Boys und Kafukuswi
Neben Netzwerken aus den Evangelikalen- und Krypto-Welten und ihnen verwandten Sphären, die Selbstoptimierung und das schnelle Geld propagieren, gewinnt auch jenes der ‚Mannosphäre‘ schnell an Reichweite. Es steht für neu aufgelegte Definitionen dessen, was Männlichkeit bedeuten soll, und hat sich durch das Internet in den letzten zehn Jahren und seit Ende der Pandemie zu einer noch einmal stärker expandierten eigenständigen faschistischen Ideologiekonstellation entwickelt. Zu diesem neuen Netzwerk gehört auch die Incel-Bewegung, deren Anhänger bereits tödliche Terroranschläge in mehreren Ländern durchgeführt haben, zusätzlich zu den unzähligen Fällen von Femiziden und Gewalt gegen Frauen*, die stark zugenommen haben und dennoch unter dem Radar laufen. Die Mannosphäre umfasst eine ganz spezifische Kulturlandschaft und ein ganz eigenes Vokabular[60] (nicht so anders als jenes, das die evangelikalen Netzwerke prägen und verbreiten), das sich schnell verändert und weiterentwickelt – und Begriffe für Männer enthält, die nicht dem neuen Ideal entsprechen, wie ‚Simp‘, ‚Soy Boy‘ oder ‚Kafukuswi‘ (in Kenia); die berüchtigte ‚rote Pille‘; Tradwives und vieles mehr. Das Ausmaß des wahnhaften Selbstbewusstseins zeigt sich in aktuellen Internetdiskussionen darüber, wie viele Männer, die noch nie auf dem Tennisfeld standen, sich siegreich gegen Serena Williams wähnen; wie viele Männer glauben, sie könnten ohne Vorkenntnisse ein Flugzeug sicher landen; oder wie viele Männer es bedarf, um erfolgreich einen Gorilla zu besiegen. Ein weiterer aufschlussreicher Moment war die zu einem Meme gewordene Online-Umfrage darüber, wie oft Männer täglich an das Römische Reich denken – eine mit einem goldenen Zeitalter der Männlichkeit verbundene Aktivität. Diese gewalttätige Bewegung hat eine Reihe von Anführern wie Andrew Tate, der zusätzlich zu seiner extremen und kriminellen Frauenfeindlichkeit auch die Werte des Unternehmertums und des harten Rechtslibertarismus predigt.[61]
Der Antifeminismus wächst in ganz Ostasien als politisches Phänomen, wo er bereits vor den südkoreanischen Präsidentschaftswahlen 2022 die Hauptfront der Kulturkämpfe bildete. An die Macht kam der selbsterklärte antifeministische rechte Yoon Suk-yeol, nachdem sich auch sein linker Gegner auf die antifeministische Seite gestellt hatte. Yoon Suk-yeol wurde Anfang dieses Jahres schließlich seines Amtes enthoben, nachdem er versucht hatte, das Kriegsrecht zu verhängen, was das hart erkämpfte demokratische System Südkoreas zerstört hätte.[62]
PSL/SMV, Looksmaxxing, Amphetamine und der Yoga-Bann
So scheint es also, als würde die globalen Faschismen auch ihre Schatten auf heimtückische Weise auf all jene selbstdiziplinierenden Muster werfen, mit denen wir unsere Körper formen und uns im Alltag präsentieren. Hinter jedem Regime und sogar hinter verschiedenen Körpern in verschiedenen Epochen, stehen unterschiedliche libidinöse Kräfte. Körper werden von Regimen geformt, was zu deutlich unterschiedlich aussehenden Körpern im klassischen Faschismus, Sozialismus oder Neoliberalismus führt, ebenso wie zu jenen Körpern, denen wir heute um uns herum und insbesondere auf unseren Bildschirmen begegnen und die uns auf äußerst wirksame Weise unter Druck setzen, ihnen nachzueifern.
Die Empfehlung lautet angesichts der Tatsache, dass wir offensichtlich nicht in der Lage sind, die Welt zu verändern, uns auf die Veränderung unseres Körpers (und unseres Geistes) zu konzentrieren, was automatisch zu einer Verbesserung unseres Kontostands, unseres Sexuallebens, unserer Beziehungen und dergleichen führt. Diese Suche nach einer besseren Version unserer selbst hat ebenfalls ein eigenes Vokabular hervorgebracht, darunter Begriffe wie Looksmaxxing, Glow-up oder PSL/SMV – Physical Sexual Market Value Level (physischer sexueller Marktwert). Diese Szene der allgegenwärtigen Jugendlichkeit verbannt Krankheit, Tod und Alter hinter die goldenen Mauern unseres digitalen Palastes. In einem vorherrschenden New-Age-Schema mit seiner naiv orientalistischen Kultur scheint die Besessenheit, diese Realitäten des menschlichen Lebens zu sublimieren, ein Aufruf an Siddhartha Gautama zu sein, in den Palast seiner Familie zurückzukehren, zu dessen Komfort und Kontrolle, und statt nach irgendeiner Form der Erleuchtung zu suchen, das Unvermeidliche zu ignorieren.
Auf einer Mikroebene manifestiert sich Kontrolle auch in einer wachsenden Abhängigkeit von Arzneimitteln, die zur Beseitigung neu definierter Abweichungen eingesetzt werden, die bis vor kurzem noch als akzeptable Variationen der menschlichen Persönlichkeit galten. Nehmen wir die Pathologisierung von Aufmerksamkeitsstörungen, deren medizinische Lösung – Amphetamine – ein so wichtiger Aspekt der klassischen faschistischen Geschichte wie auch so vieler Kriege seitdem war.[63]
Auf anatomischer Ebene kam es in den letzten Jahrzehnten fast überall auf der Welt zu einer extremen Idealisierung athletischer Schönheit, die sogar über die Ästhetik der klassischen faschistischen Körperverehrung hinausgeht, insbesondere durch das durchdringende Bedürfnis, sowohl einen perfekten Körper zu haben als auch sich mit ihm zu paaren. Diese Formen des Körperkults und der Hypermaskulinität im öffentlichen Raum, wenngleich sie auf unterschiedlichen Kontexten und Geschichten basieren, sind ebenfalls Zeichen einer neuen globalen Obsession. Im Vergleich zu früheren kanonischen Normen der Männlichkeit scheint es eine radikale Wende hin zu einer Übertreibung der Muskelmasse zu geben; damit einhergehend auch ein Gefühl der Scham und des Versagens, wenn man nicht über sie verfügt. Der Fetisch des perfekten männlichen Fitnessstudio-Körpers ist ein weitgehend globales Phänomen, von den High-End-Studios in Lagos bis hin zu improvisierten Calisthenics Parks in amerikanischen Kleinstädten. Viele Herzensbrecher aus der Zeit vor dem Neoliberalismus, etwa aus Bollywood oder dem französischen Kino, würden in der heutigen TikTok-Ökonomie kaum Beachtung finden, weil sie von gewöhnlichen Kids aus aller Welt schnell in den Schatten gestellt werden würden. In den letzten Jahren haben diese neuen Männlichkeitsideale zunehmend Einflüsse aus den koreanischen Schönheits- und Popkulturindustrien aufgenommen, einschließlich einer bisher als stereotyp weiblich konnotierten intensiven Körperpflege, wie etwa zwölfstündige Routinen zur Hautpflege oder das Verwenden von Make-up. Statt die Geschlechterbinarität aufzulösen, verband sich all dies mit einer sich verbreitenden toxischen Männlichkeit und einem extremen Körperideal.
Dieses Streben nach körperlicher Perfektion geht einher mit dem obsessiven Streben nach einem idealisierten Zustand geistiger Ausgeglichenheit und Perfektion, der durch eine Vielzahl von Praktiken erreicht werden soll, darunter Yoga (eher ein globales kosmopolitisches Phänomen als eine kontextualisierte spirituelle Technik)[64] und die boomende Selbsthilfeindustrie, in der viele Figuren wirtschaftliche und politische Ideen der Rechten vertreten. Yoga scheint die globale Ober- und Mittelschicht wirklich in seinem Bann zu halten. [65]
Reinigung und Reinheit
Diese den Aufschwung des Faschismus stützenden Muster finden sich auch in den Reinheits- und Überlegenheitsansprüchen vorgeblich liberaler, urbaner Gruppen, die sich von der unschönen Massenkonsumgesellschaft abgegrenzt haben. Der Fanatismus hinter ‚reinem‘ Essen und reinigenden Diäten (die die ansonsten normalen Funktionen des Darms ignorieren) in der größer werdenden globalen Mittelschicht beruht weniger auf Wissenschaft und vielmehr auf einem fundamentalistischen Verständnis von Ernährung. Dies führt zu wachsenden Klassenunterschieden im grundlegenden Lebensstil, neuen Argumenten, um die Ernährungsgewohnheiten der Mehrheit zu moralisieren, sowie zu neuen Fronten der Ressentiments.
Wie so viele andere hier erwähnte Phänomene war auch die COVID-19-Pandemie ein Katalysator für diese Obsessionen, in diesem Fall weniger als Folge ihrer indirekten Auswirkungen auf die Gesellschaft, sondern vielmehr als direkte Folge der Anti-Impfstoff-Bewegung, die weltweit zur wichtigen Inspirationsquelle für neue Faschismen wurde. In den USA wurde einer ihrer führenden Vertreter, Robert F. Kennedy Jr., ein konvertierter Liberaler aus der US-Adelsfamilie des elitären Liberalismus, mit der Gesundheitspolitik des Landes betraut. Das vertiefte die Inkohärenz und die Paradoxien der Trump-Regierung, die nun einige künstliche Farbstoffe ohne nachgewiesene Gesundheitsrisiken verbietet, während sie gleichzeitig ein viel höheres Maß an Umweltverschmutzung zulässt. Die erstarkende Wellness-Bewegung und ihr Ruf nach einer Rückkehr zu Natur und Ahn*innen wird zunehmend von faschistischen Stimmen unterwandert, die neue Wege finden, orientalistische Ignoranz mit einer Besessenheit für Sauberkeit, Reinheit, Reinigung und Gewalt zu verbinden.[66] Das ist natürlich nichts Neues, und es ist unnötig, hier daran zu erinnern, dass der Nationalsozialismus ein altertümliches Symbol übernommen und als eigenes Erkennungszeichen missbraucht hat.[67] Während das global verbreitete Yoga nur wenige Verbindungen zu den Yoga-Traditionen in Südasien hat, ist der Reinheitsanspruch bei Lebensmitteln wiederum ein etabliertes Vehikel für ein fest verankertes Kastenwesen und die Aufrechterhaltung der brahmanischen Vorherrschaft, die im Zentrum der extremistischen Entwicklung im heutigen Indien steht.
Kunst und Wege in die Zukunft?
Welche Rolle spielt die Kunst bei all dem? In welcher Weise trägt sie eine Mitschuld an dieser Entwicklung? Welche Rolle spielen ästhetische Regime? Die zeitgenössische Kunst der vergangenen Jahrzehnte ist von bestimmten Diskursen formaler Reinheit und Geschichtslosigkeit überflutet worden, ebenso von einem Trend hin zu obszöner Kommerzialisierung und Megalomanie. Diese tendieren zu elitärer Fetischisierung und bringen die faschistische Gleichung von Enteignung und Ressentiment hervor, statt bloß vor dem bürgerlichen Geschmack vernachlässigbarer Kunst aus früheren Epochen zu kapitulieren. Letztere scheinen auf dem Spektrum der Komplizenschaft weiter vom faschistischen Extrem entfernt zu liegen als die heutige pompöse Klasse, die Kunst als Anlage sieht. Das Interesse dieses Projekts liegt jedoch weniger darin, bei diesen Themen zu verweilen. Vielmehr soll reflektiert werden, was Kunst angesichts der faschistischen Wende sagen und tun kann, um ihr etwas entgegenzusetzen und Widerstand gegen sie zu leisten. Im deutschsprachigen Raum haben dezidiert antifaschistische Künstler*innen der Nachkriegsgeneration die Satire und das Sichtbarmachen des Grotesken schon seit langer Zeit als antifaschistische Waffen eingebracht. Gibt es heute einen Raum, um ihre Strategien wieder aufzugreifen? Gibt es andere sich aus verschiedenen Kontexten ergebende ästhetische Vermächtnisse, die alternative Wege bieten? Über Kunst und visuelle Kultur führt dieses Projekt in die oben genannten Bereiche ein, in denen sich der Faschismus und seine ideologischen Embryos finden lassen. Und über die Konfrontation mit vielfältigen lokalen Kämpfen und Themen, bietet es dem Publikum einen Spiegel seiner eigenen Situation in Bezug auf andere Kontexte in der Welt an.
Genauso wichtig wie die Schaffung ästhetischer Regime und die Reflexion der Realität ist die einzigartige Fähigkeit der Kunst, Räume zu schaffen, in denen neue Sprachen entwickelt, kritische Diskussionen geführt, Meinungsverschiedenheiten ausgetragen und alternative Szenarien entworfen werden können. Dies ist vielleicht der Raum, in dem die Artikulation der aktuellen Dringlichkeiten die Grundlage für notwendige Diskussionen schaffen kann. Und genau darin sieht das aktuelle Projekt seine Möglichkeiten.
Welche Richtungen könnten solche Diskussionen also einschlagen? Faschismus war nie unausweichlich. Wie jede Form des politischen Denkens und der politischen Organisation kann er durch politisches Handeln und eine sich politisch widersetzende Vorstellungskraft bekämpft und besiegt werden. Eine der großen Aufgaben unserer Zeit ist es, Strategien zu finden, damit der zeitgenössische Faschismus der Menschheit nicht den gleichen Schaden zufügt, den seine erste Welle angerichtet hat.[68] Dieses Projekt kann nur einen bescheidenen Beitrag leisten, einen Entwurf, der den Möglichkeiten entspricht, Gespräche in jenen Kontexten zu bereichern, auf die es Einfluss nehmen kann; jene, die die künstlerische, intellektuelle und politische Beiträge zusammenführen und die die Diskussion viel weiter voranbringen würden.
Eine davon ist die Infragestellung der apokalyptischen Vorstellung im politischen Denken.[69] Ganze Ontologien des Untergangs wurden in den letzten Jahrzehnten in einer Vielzahl von Feldern entwickelt, darunter verschiedene Strömungen der progressiven Politik und des Kampfs gegen den Klimawandel. So gravierend die Herausforderungen auch sind, diese Endzeitmethode des historischen ‚Erhabenen‘ legt den Grundstein für faschistische Irrationalität. Sie macht die oft mühsamen Prozesse der kontinuierlichen Aushandlungen, die eine nicht-faschistische Politik notwendigerweise mit sich bringt, unwiderruflich profan. Und apokalyptische Prophezeiungen sind oft selbsterfüllend. Um dieser Denkweise und ihrer Ästhetisierung der Politik zu widerstehen, ist es nach wie vor dringend notwendig, sich der Komplexität und der grundlegend unvollkommenen Natur des politischen Lebens zu stellen. Politik ist mühsam und unglamourös, was in Projekten eingeübt werden muss, die ein gemeinschaftliches Verhandeln umzusetzen und zu perfektionieren erlauben.
Eine andere Möglichkeit, für die es sich zu kämpfen lohnt, ist das kontinuierliche, unermüdliche Nachdenken über eine Politik der Liebe und Freude, auch wenn sie zunehmend durch politische Kräfte vereinnahmt wird, die damit den Mangel an linken Ideen zu kaschieren versuchen. Wir müssen uns weiterhin mit der Vorstellung beschäftigen, wie der aktive Aufbau von Mikrogemeinschaften rund um diese Verpflichtungen eine weitergefasste Politik prägen könnte.
Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, Räume für echte epistemische Vielfalt zu schaffen. Während in den letzten Jahren oft auf oberflächlicher oder ethnografischer Ebene mit der Idee der kosmologischen Vielfalt gespielt wurde, wurden nur wenige Plattformen konzipiert – und noch seltener aufgebaut –, um divergierende Ideensysteme und multiple strukturelle Sichtweisen unterzubringen. Wo die Idee der Menschenrechte und der repräsentativen Vielfalt versagt hat, gibt es über viele Jahrhunderte hinweg zahlreiche Genealogien in verschiedenen Kontexten auf der ganzen Welt, die Plattformen, Institutionen und Techniken geprägt haben, um unterschiedliche Ausgangspunkte und Schlussfolgerungen zu berücksichtigen und zu debattieren. Um dem faschistischen Denken in einer globalen Epoche entgegenzuwirken, müssen all diese Aspekte miteingeschlossen werden, wenn wir erfolgreich sein wollen, bevor es zu spät ist.
Aus dem Englischen von Asal Dardan
[1] Siehe Enzo Traverso, Die neuen Gesichter des Faschismus. Postfaschismus, Identitätspolitik, Antisemitismus und Islamopobie, übers. von Paul B. Kleiser, Köln: Neuer ISP Verlag, 2019.
[2] Siehe Alberto Toscano, Spätfaschismus. Rassismus, Kapitalismus und autoritäre Krisenpolitik, übers. von Jonathan Rößler, Münster: Unrast, 2025.
[3] (Clarice Lispector) https://mediarep.org/server/api/core/bitstreams/86219d79-8cf4-4d10-a1d5-c519c9210f0c/content
[4] Xavier Moreno Juliá, „Spain“, in David Stahel (Hg.), Joining Hitler’s Crusade. European Nations and the Invasion of the Soviet Union, 1941, Cambridge: Cambridge University Press, 2017.
[5] Carlos Caballero Jurado, La División Azul. Historia completa de los voluntarios españoles de Hitler. De 1941 a la actualidad, Madrid: La Esfera de los Libros, 2019.
[6] Vgl. „España. El gobierno de Mariano Rajoy no sacará a Francisco Franco del Valle de los Caídos“, Clarin 80 (12. Mai 2017, aktualisiert am 22. Juli 2018), https://www.clarin.com/mundo/espana-gobierno-mariano-rajoy-sacara-francisco-franco-valle-caidos_0_rkYhtH7eZ.html „Congress approves Historical Memory Bill“, ThinkSpain (31. Oktober 2007), www.thinkspain.com/news-spain/13882/congress-approves-historical-memory-bill.
[7] Marzia Casolair, In the Shadow of the Swastika. The Relationships Between Indian Radical Nationalism, Italian Fascism and Nazism, London: Routledge, 2022.
[8] Vgl. „Expert warns of impending ‚genocide‘ of Muslims in India“, Al Jazeera (16. Januar 2022), https://www.aljazeera.com/news/2022/1/16/expert-warns-of-possible-genocide-against-muslims-in-india.
[9] Allan Kaval, „Meloni reacts to racist and anti-Semitic remarks made by young members of her party“, Le Monde (5. Juli 2024), https://www.lemonde.fr/en/international/article/2024/07/05/in-italy-giorgia-meloni-reacts-to-racist-and-anti-semitic-remarks-made-by-young-members-of-her-party_6676740_4.html.
[10] Siehe beispielsweise „Donald Trump guilty on all counts in hush-money trial, New York jury finds“, Al Jazeera (30. Mai 2024), https://www.aljazeera.com/news/2024/5/30/new-york-jury-finds-donald-trump-guilty-in-new-york-hush-money-trial; „ICC issues Putin arrest warrant on Ukraine war crime allegations“. Al Jazeera (17. März 2023), https://www.aljazeera.com/news/2023/3/17/icc-issues-arrest-warrant-for-russias-putin-over-ukraine-crimes; „ICC issues arrest warrant for Israeli PM Netanyahu for ‘war crimes’ in Gaza“, Al Jazeera (21. November 2024), https://www.aljazeera.com/news/2024/11/21/icc-issues-arrest-warrant-for-israeli-pm-netanyahu-for-war-crimes-in-gaza; „ICC takes custody of former Philippines President Rodrigo Duterte“, Al Jazeera (12. März 2025), https://www.aljazeera.com/news/2025/3/12/icc-takes-custody-of-former-philippines-president-rodrigo-duterte; „Brazil’s Bolsonaro accused in spy agency case as coup trial is ongoing“, Al Jazeera (17. Juni2025), https://www.aljazeera.com/news/2025/6/17/brazils-bolsonaro-accused-in-spy-agency-case-as-coup-trial-is-ongoing.
[11] „Bundesverwaltungsgericht weist AfD-Beschwerden zurück“, Der Spiegel (23. Juli 2025), https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-bundesverwaltungsgericht-weist-afd-beschwerden-zurueck-a-58068c6c-5986-4713-becc-9c3de02dd499.
[12] Micheal Clodfelter, Warfare and Armed Conflicts. A Statistical Encyclopedia of Casualty and Other Figures, 1494–2007, Jefferson, NC: McFarland, 2008.
[13] Dezso Bartha, Trianon And The Predestination Of Hungarian Politics. A Historiography Of Hungarian Revisionism, 1918–1944, Diss., University of Central Florida 2006.
[14] Margaret MacMillan, The War that Ended Peace. How Europe Abandoned Peace for the First World War, London: Profile Books, 2014.
[15] Für eine Betrachtung Italiens als Beispiel siehe Albert Szymanski, „Fascism, Industrialism and Socialism. The Case of Italy“, Comparative Studies in Society and History 15/4 (September 1973), S. 395–404.
[16] Die 1942 erstmals in Deutschland veröffentlichen Memoiren Stefan Zweigs bleiben eines der eingehendsten Zeugnisse dieser Umbrüche. Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt a. M.: S. Fischer, 2017.
[17] Aimé Césaires Über den Kolonialismus (im französischen Original erstmals 1950 veröffentlicht), ist in diesem Kontext ein Grundlagentext; siehe Aimé Césaire, Über den Kolonialismus, übers. von Heribert Becker, Berlin: Alexander Verlag, 2017.
[18] Stephen Minton (Hg.), Residential Schools and Indigenous Peoples. From Genocide via Education to the Possibilities for Processes of Truth, Restitution, Reconciliation, and Reclamation, London: Routledge, 2021.
[19] U. a. Alain Badiou, Die kommunistische Hypothese, übers. von Frank Ruda, Leipzig: Merve, 2011.
[20] Siehe Gáspar Miklós Tamás, Kommunismus nach 1989. Beiträge zu Klassentheorie, Realsozialismus, Osteuropa, Wien: Mandelbaum Verlag, 2015.
[21] Jean-Baptise Chastand, „Viktor Orbán is reviving Budapest’s architecture with a nationalist flavour“, Le Monde (4. April 2022), https://www.lemonde.fr/en/international/article/2022/04/04/in-hungary-viktor-orban-is-reviving-budapest-s-architecture-with-a-nationalist-flavor_5979668_4.html.
[22] Siehe Trumps „Executive Order on Promoting Beautiful Federal Civic Architecture“ (21. Dezember 2020), https://trumpwhitehouse.archives.gov/presidential-actions/executive-order-promoting-beautiful-federal-civic-architecture.
[23] Aktuelle Studien bestätigen eine innerhalb Deutschlands noch immer wirkende Kluft bei Führungspositionen; siehe bspw. https://www.dw.com/en/study-shows-germanys-east-west-divide-in-top-positions/a-66875990.
[24] Jonathan D. Spence, The Search for Modern China, New York: Norton, 2012.
[25] Wang Qiyue und Li Mingjiang, „The Commercialization of Cyber Nationalism in China“, Carnegie China (24. Oktober 2004), carnegieendowment.org/posts/2024/10/japanese-boy-stabbed-in-shenzhen-alarm-bells-ring-for-the-traffic-driven-business-of-cyber-nationalism-in-china?lang=en.
[26] Nectar Gan, „China is more in love with its pandas than ever. That’s complicated matters for Beijing“ (26. Januar 2025), CNN, edition.cnn.com/2025/01/26/china/china-panda-diplomacy-intl-hnk.
[27] Guobin Yang, The Red Guard Generation and Political Activism in China, New York: Columbia University Press, 2016.
[28] Siehe zum Beispiel Mark Andrews, „Why a former Red Guard now saves Chinese antiques and uses his collection to educate young people“, South China Morning Post (12. April 2018), www.scmp.com/lifestyle/article/2141217/why-former-red-guard-now-saves-chinese-antiques-and-uses-his-collection.
[29] Benjamin Haas, „China ‚ruthless‘ campaign to evict Beijing’s migrant workers condemned“, The Guardian (27. November 2017), www.theguardian.com/world/2017/nov/27/china-ruthless-campaign-evict-beijings-migrant-workers-condemned.
[30] Eine grundlegende Referenz hierfür ist selbstverständlich Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation: Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, übers. von Benedikt Burkhardt, Frankfurt a. M.: Campus, 2005.
[31] B.R. Meyers, The Cleanest Race. How North Koreans See Themselves and Why It Matters, Brooklyn: Melville House, 2011; Suzy Kim, „(Dis)Orienting North Korea“, Critical Asian Studies 42/3, 2010, S. 481–495.
[32] Gi-Wook Shin, Ethnic Nationalism in Korea. Genealogy, Politics, and Legacy, Stanford: Stanford University Press, 2006.
[33] Siehe Irfan Habib, Indian Nationalism. The Essential Writings, Neu Delhi: Aleph Book Company, 2017.
[34] Siehe „India. Hindu event calling for genocide of Muslims sparks outrage“, Al Jazeera (24. Dezember 2021), https://www.aljazeera.com/news/2021/12/24/india-hindu-event-calling-for-genocide-of-muslims-sparks-outrage.
[35] Soner Cataptay, A Sultan in Autumn. Erdoğan Faces Turkey’s Uncontainable Forces, London: I. B. Tauris, London, 2021.
[36] Siehe Jardar Østbø, The New Third Rome. Readings of a Russian Nationalist Myth, Stuttgart und Hannover: ibidem Verlag, 2016.
[37] Timothy Snyder, Der Weg in die Unfreiheit: Russland, Europa, Amerika, übers. von Ulla Höber. München: C. H. Beck, 2018. In der Vergangenheit erlebte Unterdrückung und Opferschaft bieten weltweit einflussreiche Quellen der Legitimation von rechtsgerichteten Narrativen, von staatlichen und nationalen Narrativen, beispielsweise in Israel oder Polen, bis hin zu der TERF-Bewegung, die in Ländern wie Südkorea und Großbritannien immer weiter wächst; kürzlich erzielte sie in Großbritannien einen Erfolg vor dem Obersten Gerichtshof mit der Definition dessen, was eine Frau ist. Wie viele nationale Narrative nutzen auch TERF die Erfahrung der Opferschaft einer unterdrückten Gruppe, um die Unterdrückung anderer zu befördern, in ihrem Fall trans Frauen vor dem Hintergrund der Misogynie.
[38] Siehe den Eintrag des United States Holocaust Memorial Museum zum Konzept des ‚Lebensraums‘ in der Holocaust Encylopedia, https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/lebensraum; Shelley Baranowski, Nazi Empire. German Colonialism and Imperialism From Bismarck to Hitler, Cambridge: Cambridge University Press, 2010; James Q. Whitman, Hitler’s American Model. The United States and the Making of Nazi Race Law, Princeton: Princeton University Press, 2017.
[39] Quinn Slobodian, Kapitalismus ohne Demokratie. Wie Martktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen, übers. von Stephan Gebauer, Berlin: Suhrkamp, 2023.
[40] J. B. Peires, The Dead Will Arise. Nongqawuse and the Great Xhosa Cattle-Killing Movement of 1856–7 Bloomington: Indiana University Press, 1989.
[41] „Minorities fear targeted attacks in post-revolution Bangladesh“, France24 (22. Dezember 2024), www.france24.com/en/live-news/20241222-minorities-fear-targeted-attacks-in-post-revolution-bangladesh.
[42] Elena Trifan, „From Self-help to Sovereignty. The rise of Călin Georgescu and Romania’s far-right mysticism“, Journal of Contemporary Central and Eastern Europe 33/1, 2025, S. 221–233.
[43] Vgl. Christian Fuchs, Digital Fascism: Media, Communication and Society, London: Routledge, 2022.
[44] Siehe Robert Coalson, „Special Operation 2. Moskaus Symbol für den Krieg erobert Russland – und lässt die Alarmglocken läuten“, RadioFreeEurope/RadioLiberty (17. März 2022), https://www.rferl.org/a/russia-ukraine-letter-z-fascist-symbol/31758267.html.
[45] Siehe Jacob K. Olumpona (Hg.), African Evangelicalism and the Transformation of Africa, Georgetown: Georgetown University Press, 2025.
[46] Für eine Besprechung des sri-lankischen Falls siehe Stanley Jeyaraja Tambiah, Buddhism Betrayed? Religion, Politics, and Violence in Sri Lanka, Chicago: University of Chicago Press, 1992.
[47] Siehe Tambiah, Buddhism Betrayed?
[48] Nasir Uddin, Voices of the Rohingya People. A Case of Genocide, Ethnocide, and ‚Subhuman‘ Life, London: Palgrave Macmillan, 2022.
[49] Lex Harvey und Chiranjivi Ghimire, „Forced from Bhutan, deported by the US: These stateless Himalayan people are in a unique limbo“, CNN (18 Juli 2025), edition.cnn.com/2025/07/18/asia/bhutan-refugees-trump-deportations-nepal-intl-hnk.
[50] Siehe Michael Hutt, Unbecoming Citizens. Culture, Nationhood, and the Flight of Refugees from Bhutan, Oxford: Oxford University Press, 2005.
[51] Javier A. Galván, Latin American Dictators of the 20th Century. The Lives and Regimes of 15 Rulers, Jefferson, NC: McFarland, 2012.
[52] Julio F. Carrión, The Fujimori Legacy. The Rise of Electoral Authoritarianism in Peru, Philadelphia: Penn State University Press, 2006.
[53] Iván Cepeda/Jorge Rojas, A las puertas de El Ubérrimo, Madrid: Debate 2008.
[54] Siehe Feliciano de Sá Guimarães, André Felipe Miquelasi, Gustavo Jordan Ferreira Alves, Irma Dutra Gomes de Oliveira e Silva und Karina Stange Calandrin, „The evangelical foreign policy model. Jair Bolsonaro and evangelicals in Brazil“, Third World Quarterly 44/6 (2023), S. 1324–1344.
[55] Siehe Slobodian, Kapitalismus ohne Demokratie.
[56] Sebastián Edwards, The Chile Project. The Story of the Chicago Boys and the Downfall of Neoliberalism, Princeton: Princeton University Press, 2023.
[57] Tim Allen und Koen Vlassenroot (Hg.), The Lord’s Resistance Army. Myth and Reality, New York: Zed Books, 2010.
[58] Siehe Thabi Myene, „What is Operation Dudula, South Africa’s anti-migration vigilante?“, Al Jazeera (8. April 2022), https://www.aljazeera.com/features/2022/4/8/what-is-operation-dudula-s-africas-anti-immigration-vigilante.
[59] Siehe Cristian Anton und Cristina Dobre, „Horațiu Potra, un apropiat al lui Călin Georgescu, reținut de poliție. Venea cu 20 de oameni și mai multe arme spre București“, Stirile Pro TV (18. Dezember 2024), https://stirileprotv.ro/stiri/actualitate/horatiu-potra-audiat-de-politisti-se-indrepta-cu-20-de-oameni-si-un-arsenal-de-arme-de-foc-spre-bucuresti-foto.html.
[60] Siehe Adam Aleksic, Algospeak. How Social Media is Transforming the Future of Language, New York: Knopf, 2025.
[61] Siehe Hugh Donnell, „Andrew Tate’s ‚Manosphere‘ Is Built on a Shallow Idea of Human Freedom“, Jacobin (11. Juni 2023), https://jacobin.com/2023/11/manosphere-human-freedom-andrew-tate-sartre-misogyny-individualism.
[62] Siehe „South Korea ex-leader Yoon indicted as martial law probe continues“, Al Jazeera (19. Juli 2025), https://www.aljazeera.com/news/2025/7/19/south-korea-ex-leader-yoon-indicted-as-martial-law-probe-continues.
[63] Siehe bspw. Normal Ohler, Blitzed. Drugs in Nazi Germany, New York: Penguin, 2016.
[64] Siehe Stewart Home, Fascist Yoga. Grifters, Occultists, White Supremacists, and the New Order in Wellness, London: Pluto Press, 2025.
[65] Seine Geschichte in Europa reicht allerdings wesentlich weiter zurück als das Zeitalter des Faschismus, die neoliberale Epoche oder die spiritualistischen und orientalistischen Strömungen des 19. Jahrhunderts. Der erste verzeichnete Europäer, der Yoga praktizierte, war ein griechischer Soldat im Heer Alexander des Großen, der diese Praxis von den Eroberungsfeldzügen mitbrachte. Darüber hinaus, und auf die Gefahr hin, dass es wirkt, als würden wir uns zu sehr mit dem Römischen Reich beschäftigen, deuten aktuelle Forschungen darauf hin, dass Yoga- und Meditationspraktiken einen direkten Einfluss auf die christliche Idee des Mönchtums und des Rückzugs aus der Welt hatten, und zwar auf dem Wege der großen Handelsrouten des Roten Meeres, die Indien mit dem Römischen Reich verbanden. Siehe William Dalrymple, The Golden Road. How Ancient India Transformed the World, London: Bloomsbury, 2025.
[66] Siehe beispielsweise Mark Hay, „Soap to supremacy. The rise of white wellness“, Al Jazeera, ( 2. Februar 2025), www.aljazeera.com/features/longform/2025/2/2/how-white-nationalists-infiltrated-the-wellness-movement.
[67] Siehe beispielsweise den Eintrag des United States Holocaust Memorial Museum zur Geschichte des Hakenkreuzes, https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/history-of-the-swastika.
[68] Vor über einem Jahrzehnt, als ich mir gemeinsam mit Inti Guerrero erstmals eine Ausstellung mit diesem Titel, dieser Grundidee und vielen der beteiligten Künstler*innen vorstellte, war die Welt noch eine andere. Damals war der Titel noch als eine Art Provokation gedacht – im Sinne der alten linken Tradition der Provokation, die seitdem sehr deutlich von rechten Stimmen vereinnahmt worden ist –, um ein Bewusstsein zu schaffen, statt eine Beschreibung zu liefern, die heute leider auf viele Kontexte zutrifft.
[69] Für eine aufschlussreiche Analyse hierzu siehe Richard Seymour, Disaster Nationalism. The Downfall of Liberal Civilization, London: Verso, 2024.