Jurybegründung für die Preisträgerin / Übersetzerin

Marie NDiaye: Drei starke Frauen
Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer
Berlin: Suhrkamp Verlag 2010

„Marie NDiayes Stil ist luzide und präzise, ihre Sätze sind genau austariert. Lange, verschachtelte Absätze wechseln in einem wohl kalkulierten System sich ab mit kürzeren Passagen und einzeiligen lakonischen Konstatationen, die nach und nach Indizien liefern für den psychischen Zustand der Figuren – und es ist exakt diese fein austarierte Choreographie unterschiedlicher Längen, die den sich selbst immer weiter, spiralförmig immer tiefer schraubenden musikalische Rhythmus von „Drei starke Frauen“ ausmachen: Lang, lang, lang, kurz, kurz, lang, lang, lang, kurz, lang, lang, lang, lang, kurz, kurz – und man sieht sie gleichsam vor sich, die mit Alliterationen aufgeladene Rhythmusspirale, die dem Buch seinen Atem, seine sprachliche Dichte, seine Spannung steigernden Momente verleiht.

Claudia Kalscheuer ist es gelungen, diesen fein austarierten, halb alptraumhaften, halb surrealen Rhythmus im Deutschen abzubilden. Sie folgt sehr genau den Satzbewegungen des französischen Originals, wählt aber an den entscheidenden Stellen Möbiusschleifen, setzt Inversionen, reduziert die Zahl der Alliterationen, ohne ihr poetisches Moment auch nur im Entferntesten aufzugeben, und schreibt auf diese Weise ihrer Übertragung die deutsche Sprachmelodie ein, lädt sie mit exakt dem gleichen dichten, verstörenden Rhythmus auf, den das Original der „Drei starken Frauen“ auszeichnet. Und dies ist eine Meisterleistung.“

Berlin, 29. September 2010, verliehen durch

Bernd Scherer (für das Haus der Kulturen der Welt ) und
Jan Szlovak (für die Stiftung Elementarteilchen)