Jurybegründung für die Preisträger 2009

Daniel Alarcón: Lost City Radio
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Friederike Meltendorf
Wagenbach 2008
(Lost City Radio, HarperCollins 2007)

„Der Debütroman des 1977 in Peru geborenen und in den USA aufgewachsenen Daniel Alarcón konfrontiert uns auf eindringliche und einfühlsame Weise mit einer Welt, in der das Zusammenleben immer wieder von Bürgerkrieg und Gewalt bedroht wird. Ein Roman, der sich wie eine Parabel liest – ein präziser literarischer Entwurf, der eine nicht näher verortete Gewaltsituation sowohl auf Süd- und Mittelamerika wie auch auf koloniale Regime anderorts übertragbar erscheinen lässt: Die Verschwundenen und der Kampf gegen das Vergessen sind zentrales Thema dieses geschickt komponierten Romans.

Alarcón schreibt in der Sprache seiner neuen Heimat USA und erlebt mit kühlem und präzisem Blick Geschichten seines Herkunftslandes nach. Die raffinierte Verknüpfung verschiedener, fein ausgearbeiteter, nicht chronologisch angeordneter Erzählstränge zeigt – jenseits eines vordergründig lateinamerikanischen Szenarios – die weltweiten Webmuster von Macht und Gewalt auf: Sie werden in der Radiosendung Lost City Radio subtil übersetzt, gleichsam hörbar gemacht. Die sinnliche Stimme der Rundfunksprecherin Norma trifft die Stimmung der sprachlos Gewordenen so, wie die Radiosendung den Sinn, die Sendung der Literatur freisetzt. Das Medium Radio erhält eine eigenständige Rolle und vermag die so verschiedenen Atmosphären von Stadt und Dschungel miteinander zu verbinden. Vorangetrieben von einem unbändigen Willen zum Erzählen entsteht aus der meisterhaften und kongenial übersetzten Prosa des Romans das faszinierende Bewegungsbild einer Literatur, die zwischen den Welten, zwischen den Gewalten, zwischen den Sprachen ihre eigene Stimme und ihren Eigen-Sinn entfaltet.“

Berlin, 30. September 2009, verliehen durch

Bernd Scherer (für das Haus der Kulturen der Welt ) und
Jan Szlovak (für die Stiftung Elementarteilchen)