Ileum
Mae-ling Lokko und Gustavo Crembil
Temporärer Pavillon, 2025

Ileum Flugasche und Baumwollplatten. Foto: Mae-ling Lokko
Ileum
Die Architekturreihe Shaped to the Measure of the People’s Songs wird im Sommer 2025 mit einer künstlerischen Raumintervention von Mae-ling Lokko und Gustavo Crembil fortgesetzt.
Der Erdboden beherbergt nicht nur die größte Artenvielfalt aus dem Tier-, Pflanzen- und Pilzreich, sondern auch eine Fülle an Materialien. Durch Versickern, Erodieren, Verdünnen, Mischen, Filtern, Lagern, Transportieren und Sedimentieren rekonfigurieren diese dynamischen Muster der Materialwanderung in und aus den Bodenschichten sowohl das Territorium als auch die breitere Ökologie der menschlichen und nicht-menschlichen Gesundheit laufend neu. In den letzten fünf Jahrhunderten haben Bergbau, Landwirtschaft und die Umwandlung von Materialien in noch nie dagewesenem Ausmaß die Bodenökosysteme verändert und ihre Fähigkeit beeinträchtigt, ein breites Spektrum an biotischen Aktivitäten zu nähren und zu erhalten. Mit seiner Katalogisierung von Bodenverbundplatten erforscht der Ileum-Pavillon die vielfältigen Rollen von Architektur und stellt sich ihrer Gleichgültigkeit gegenüber Bodenökosystemen in der jüngeren Vergangenheit.
Ileum bezieht sich auf das Große Tropenhaus im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem als Referenzort für die Reparatur von Bodenökosystemen wie von zeitgenössischen Baukulturen. Das 1905 von Alfred Koerner entworfene Große Tropenhaus, das über 1.400 Pflanzenarten aus den afrikanischen, asiatischen und australischen Tropen beherbergt, ist nach wie vor eine der größten Stahl- und Glaskonstruktionen der Welt. Neben dem Import tropischer Pflanzen in das Gewächshaus entwickelten die hochgradig miteinander vernetzten botanischen und kolonialen Unternehmungen neue Systeme der taxonomischen Klassifizierung, die nicht nur die Zentralisierung und Kontrolle der globalen Pflanzenforschung ermöglichten, sondern auch die Grundlagen für lukrative kommerzielle Anwendungen in der Landwirtschaft, in der pharmazeutischen Industrie und im Energiesektor schufen.
Die freitragende Stahl- und Glaskonstruktion des Tropenhauses wurde durch eine Holzkonstruktion ersetzt, und die Vertäfelung des Pavillons besteht aus Verbundwerkstoffen, die nicht nur aus biogenen Materialien, sondern auch aus einer wachsenden Zahl synthetischer und sekundärer mineralischer Nebenprodukte hergestellt werden. Nebenprodukte aus Wirtschaftszweigen des 21. Jahrhunderts, einschließlich der Landwirtschaft (Reishülsen, Flugasche), der Metallherstellung (Nebenprodukte aus Ferrosiliziumlegierungen) und der erneuerbaren Energien (recycelte Glasfasern aus Solarpaneele), werden als Substrat, Bindemittel und Zusatzstoff in Erdverbundplatten verwendet, wobei eine ungiftige und kohlenstoffarme Verarbeitung im Lebenszyklus der Materialien zum Einsatz kommt.
Die topografische Textur der taktilen Oberflächenplatten von Ileum ist inspiriert von Luftaufnahmen der Veränderungen von Bodenphänomenen und erinnert an Prozesse der Bodenakkumulation, der langsamen Filtration und der generativen Interaktion von biotischen und abiotischen, menschlichen und nicht-menschlichen „geologischen Gemeinschaften“. Im Kontrast zu den dunkelbraunen, grauen und goldenen Farbtönen der Bodenverbundplatten und dem samtigen Weiß der Myzelplatten sind leuchtend bunte Baumwollpartikel in wellenförmige Oberflächen eingebettet, die Weichheit und visuellen Kontrast erzeugen. Die recycelte Baumwolle stammt von der OR Foundation auf dem ghanaischen Kantamanto-Markt, einem der weltweit größten Lager für Secondhand-Kleidung. Sie ist eine Hommage an ein weggeworfenes Material, das einst von den Menschen zum Schutz ihres Körpers, zum Beziehen ihrer Betten und zum Bedecken ihrer Habseligkeiten verwendet wurde. Benannt nach dem längsten und wichtigsten Abschnitt des menschlichen Dünndarms, in dem ein großer Teil der Nährstoffe absorbiert und die verbleibenden Nebenprodukte weitergegeben werden, bietet der Pavillon einen offenen und zugänglichen Raum für Selbstreflexion, Rechenschaft und neue Vorstellungen davon, wie Architektur dazu beitragen kann, den Boden wieder zu einer Heimstatt werden zu lassen.
Gestaltung
Mae-ling Lokko
Gustavo Crembil
Architektur
Frederik Fuchs (ephem)
Matthias Weis (ephem)
Produktionsteam Gestaltung
Mae-ling Lokko
Gustavo Crembil
Thomas Roland
Alireza Zamani Samani
Partner bei der Herstellung der Verbundplatten
Ricehouse Benefit Corporation
Opovate Ltd.
OR Foundation Ghana