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Shaped to the Measure of the People’s Songs

Jährlich wechselnde Reihe von künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum, 2023 entworfen von raumlaborberlin

2023–2027

Eröffnungspavillon entworfen von raumlabor. Foto: Nin Solis/HKW

Eröffnungspavillon entworfen von raumlabor. Foto: Nin Solis/HKW

Die Methodik des Bauens als solche können wir durchaus nutzen, aber wir müssen ihr die Detailverliebtheit nehmen und uns von den Bildern in unseren Köpfen lösen, in denen Häuser auftauchen, die so wunderbar unsere persönlichen Wünsche erfüllt haben. Wir müssen von vorn anfangen und unsere neuen Häuser aus dem Alltag jener Menschen entwickeln, die in ihnen wohnen werden. Wir müssen die Häuser im Takt der Lieder des Volkes gestalten, das Muster eines Dorfes entwerfen, als wäre es das Produkt eines dortigen Webstuhls – achtsam gegenüber den Bäumen und dem Getreide, die dort gedeihen sollen, respektvoll vor den Umrissen am Himmel und in Demut vor den Jahreszeiten. Weder erfundene Tradition noch gefälschte Moderne darf es sein, sondern eine Architektur, die der sichtbare und dauerhafte Ausdruck einer Gemeinschaft ist. Das bedeutet jedoch nicht weniger als eine völlig neue Architektur.
Hassan Fathy, Architecture for the Poor: An Experiment in Rural Egypt (1969)

Das HKW präsentiert eine neue Reihe mit jährlich wechselnden temporären Pavillons als künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum. Mit dieser architektonischen und programmatischen Erweiterung des Hauses entsteht ein experimenteller Begegnungsraum an der Schnittstelle zwischen der historischen Kongresshalle, dem Biotop des Tiergartens und dem urbanen wie politischen Gewebe der Stadt. Die Krisen rund um Klima, Wohnraummangel und exkludierende städtische Infrastrukturen unterstreichen die Notwendigkeit, räumliche Fragen praktisch anzugehen, um eine Vision kollektiver Lebensweisen zu entwickeln.

Das Pavillon-Projekt greift diesen Impuls einer kritischen Untersuchung des Raums und seiner materiellen wie immateriellen Implikationen auf. Jedes Jahr übersetzt ein neuer Pavillon die komplexe Frage des Zusammenlebens in einen räumlich-materiellen Lösungsvorschlag. Als öffentlich zugänglicher, barrierearmer und offener Ort ermöglicht der Pavillon als künstlerische Interventionen Dialog und Engagement außerhalb des eigentlichen HKW-Gebäudes und bietet Besucher*innen wie Spaziergänger*innen die Gelegenheit, sich rund um das Programmangebot und außerhalb davon ohne formellen Rahmen zu begegnen. Durch seinen nahezu privaten Charakter ermöglicht der Pavillon einen engen Kontakt zwischen Mensch, Material und Architektur. Als Intervention unter freiem Himmel stellt er zudem eine Verbindung zu vergangenen und gegenwärtigen Aktivitäten, Gemeinschaften und Ökologien im Tiergarten und seiner Umgebung her.

Der Eröffnungspavillon wird von Raumlabor Berlin entworfen und gebaut. In den letzten 20 Jahren hat das Architekturkollektiv zahlreiche experimentelle urbane Interventionen auf der Grundlage einer kollaborativen, forschungsbasierten Gestaltung entwickelt, nicht zuletzt am HKW. Der diesjährige Pavillon beruht auf Buckminster Fullers Dymaxion Map – einer erstmals 1943 entwickelten, experimentellen Bildprojektion: Eine Weltkarte wird auf eine Fläche projiziert, die aus vielen Einzelflächen eines Polyeders besteht; ihre Geografie wird in einer erweiterten und vernetzten Matrix aus dreieckigen Formen dargestellt. Diese visuelle Übung sperrt sich gegen eine Lesart des Planeten als Cluster getrennter, eigenständiger Einheiten und beharrt auf der Untrennbarkeit unserer globalen Geografien, die Kommunikation, Fürsorge und Problemlösungen durch planetare Zusammenarbeit erfordern.

Nach dieser Eröffnung wird die Reihe alljährlich mit einer offenen Ausschreibung an Künstler*innen, Architekt*innen und andere Praktiker*innen fortgesetzt, die mit je eigenen Ansätzen auf die ortsspezifischen Belange der natürlichen wie gebauten Umwelt antworten können. Was sind heute und künftig die relevanten Formen, Materialien, Größenordnungen und Maßnahmen unserer sozialen und räumlichen Beziehungen?

Der Titel der Reihe Shaped to the Measure of the People’s Songs geht auf Hassan Fathys einflussreiches Buch Architecture for the Poor: An Experiment in Rural Egypt zurück, in dem der Autor die Bedeutung von Räumlichkeit, Ästhetik, Tradition und der Verortung von Architektur in spezifischen Kulturen, geschichtlichen Zusammenhängen, Gesellschaften sowie wirtschaftlichen und klimatischen Bedingungen reflektiert.