HUM
Gespräch und Filmvorführung mit Tania Candiani, houaïda und Sundar Sarukkai
Gespräch, Filmvorführung
Su., 2.11.2025
19:30
Sylvia Wynter Foyer
Auf Englisch
Eintritt frei

HUM (2025), Filmstill. Courtesy Tania Candiani
Quantum Listening bedeutet, mit allen Sinnen auf die geringstmöglichen Unterschiede in jedem Teil einer Form oder eines Prozesses zu hören, während man das Ganze wahrnimmt und Veränderungen spürt. Quantum Listening bedeutet, dem Hören zuzuhören.[1]
Pauline Oliveros postulierte in ihrem posthum veröffentlichten Werk desselben Titels, dass „Quantum Listening“ beinhalten könnte, gleichzeitig auf viele Geschichtsschreibungen zuzugreifen. In der Quantenwelt und im Gegensatz zum normativen Verständnis klassischer Schallwellen bedeuten die Schwingungen von Quantenbündeln aus Vibrationsenergie, sogenannte Phononen, dass Echos nicht allein Reflexionen sind, die langsam verklingen. Vielmehr bilden sie Resonanzen und können sich kumulativ verstärken.
Zum Abschluss von Fertile Void werden Oliveros’ Ideen in Form eines konzeptionellen Echos aufgegriffen und Tania Candiani, houaïda und Sundar Sarukkai reflektieren die Resonanzen von Fertile Void in ihrer eigenen Praxis. Mit Blick auf Klang und Akustik als zentrale Themen der Zusammenarbeit zwischen Kunst und Wissenschaft im Bereich der Quantenphysik führt das Gespräch verschiedene Stränge des Programms zusammen. Die Deutschlandpremiere von Tania Candianis Videoarbeit HUM (2025) dient dabei als Kadenz.
HUM ist ein audiovisuelles Werk, das im Rahmen von Candianis künstlerischer Zusammenarbeit mit der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) entstanden ist. Entwickelt wurde es während mehrerer Besuche und im Dialog mit Wissenschaftler*innen, Ingenieur*innen und der Architektur des weltweit größten Teilchenphysiklabors. Das Werk untersucht die scheinbar universelle Sprache der Trompetenform, die in der Natur, der Kultur und dem Kosmos widerhallt. Durch die Verschmelzung visueller und auditiver Komponenten folgte Candiani den Verbindungslinien zwischen trichterförmigen Senken und Schwarzen Löchern, alten Instrumenten und konzeptuellen Modellen, Alphörnern und wissenschaftlichen Experimenten am CERN. Der Film untersucht mittels komponierter Soundscapes und sorgfältig konstruierten Bildern, wie diese Geometrie die Verbindungen zwischen Mensch, Natur und Unendlichkeit verstärkt. Er lädt die Zuschauer*innen dazu ein, die unsichtbaren Fäden zu entdecken, die unsere Welt durchziehen.
Candiani filmte in mehreren Versuchsbereichen des CERN – darunter das A Large Ion Collider Experiment (ALICE), das Compact Muon Solenoid (CMS), das Rechenzentrum, den Linearbeschleuniger 4 (Linac 4) und die Large Magnet Facility (LMF) – und wollte diese Wirkstätten der Wissenschaft in Bühnen für klangliche und poetische Reflexion verwandeln. In der gesamten Arbeit fungiert die Spirale zugleich als visuelle und als konzeptionelle Struktur. Über sie zieht Candiani Parallelen zwischen Schallwellen, Datenströmen und kosmologischen Mustern.
Im Miteinander von wissenschaftlichem und künstlerischem Vokabular eröffnet HUM einen Raum für Intuition und sensorische Fragestellungen inmitten von Umgebungen, die von Vernunft und Präzision geprägt sind. Das Publikum wird eingeladen, zuzuhören – sowohl den Maschinen wie auch dem Raum und dem Körper – und das titelgebende Summen als gemeinsame Frequenz zwischen Materie und Bedeutung zu betrachten.
HUM wurde von Arts at CERN in Auftrag gegeben und erhielt großzügige Unterstützung von der Fondation Didier et Martine Primat.
[1] Pauline Oliveros, Quantum Listening, Ignota Books: London, 2022, S. 15.