Glicéria Tupinambá, Anführerin im Kampf für indigene Frauenrechte, interkulturelle Pädagogin, Intellektuelle und Künstlerin, setzt sich für die vom Untergang bedrohte Sprache ihres Volkes, Nhengaatu, und die Wiederbelebung einer alten Tradition ein: die kunstfertige Herstellung von Tupinambá-Mänteln. Beides steht in engem Zusammenhang mit dem Kampf um die territoriale Souveränität der Tupinambá. Die heiligen Umhänge der Schamanen, die mit den Federn des Scharlachsichlers produziert werden, wurden im 16. Jahrhundert als Exotica an die kolonialen Höfe Europas gebracht; einige von ihnen befinden sich heute noch im Besitz dortiger Museen. Tupinambá nahm sich 2006 der über Jahrhundert ausgesetzten Tradition an, um einen Prozess zu initiieren, den sie als „technischen Kosmos“ bezeichnet. Dabei greift sie auf Fotografien, Träume sowie traditionelles Wissen über die Herstellung von Fischernetzen und Schnüren zurück, unterstützt durch die lebendige und spirituelle Gemeinschaft dieses Gebiets – ein Lebensraum, der für die Existenz der Mäntel notwendig ist. Obwohl nur ein Randthema der aktuellen Diskussionen um Restitution, hat dieser Prozess ihr Volk in seinen Bemühungen um Souveränität entscheidend gestärkt. Für O Quilombismo hat Glicéria Tupinambá Ybaka angefertigt, eine Arbeit, die die seit alters her bestehende Verbindung ihres Volkes zu den Sternen erneuert. Die Arbeiten werden von einem Brief an die Besucher*innen begleitet.

Während eines Stipendiats am HKW vertieft Glicéria 2024 ihre Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und Kurator*innen und befasst sich mit einigen zum heiligen Ritual des Mantels zählenden Elementen (die sich noch in europäischen Sammlungen befinden) und der Weisheit, die von ihm ausgeht.

Werke in der Ausstellung: Tupinambá Ybaka [Der Himmel der Tupinambá] (2023), Kokospalmenrinde, Baumwollfaden. Courtesy Glicéria Tupinambá Fernanda Liberti in Zusammenarbeit mit Glicéria Tupinambá, Dancing with the Tupinambá: Mother Bird and Son, Glicéria and Eru, Serra do Padeiro, Bahia, Brazil; Bird View; Thousand in One; Abraço [Umarmung]; Majé [Schamanin]; Poço de Iemanjá [Iemanjas Quelle] (2021), Fotoserie. Courtesy Fernanda Liberti