Als Chemiker ausgebildet, begann Eustáquio Neves Mitte der 1980er Jahre zu fotografieren. Inspiriert von dem großen brasilianischen Künstler Arthur Bispo do Rósario, der seine eigenen Kunstwerke als Teil eines göttlichen Plans ansah, begann Neves damit, die Negative seiner Fotografien zu bearbeiten – eine Technik, die zu einem zentralen Bestandteil seiner künstlerischen Praxis werden sollte. In nunmehr vier Jahrzehnten hat sich der Autodidakt mit der Geringschätzung der Nachfahr*innen versklavter Afrikaner* innen in Brasilien auseinandergesetzt. In seinen Arbeiten registriert und transformiert er Bilder, die mit rassistischer Unterdrückung, Intoleranz gegenüber den Riten der Afro-Diaspora und Gewalt gegen Schwarze Körper verbunden sind. Crispim / Encomendador de Almas zeigt das tägliche Leben von Crispim, einem Mitglied einer der letzten verbliebenen Baú-Maroon- Gemeinschaften in Minas Gerais, die im Geiste des Quilombo gegründet wurde. Die Subsistenzkultur und Beibehaltung angestammter Rituale und religiöser Praktiken sind noch heute von zentraler Bedeutung für die dort lebenden Communitys; so ist Crispim damit betraut, den Übergang von der Welt der Lebenden in die der Toten zu erleichtern. Im Einsatz von Heilkräutern und dem vissungo, einem Ruf- und Antwortgesang in einer Mischung aus afrikanischen Sprachen, der von den versklavten schwarzen Bergarbeitern in Diamantina gesungen wurde, ist Crispims Anwesenheit in Neves’ Arbeit ablesbar. 

Werk in der Ausstellung: Crispim / Encomendador de Almas (2006–22), Zweikanal-Videoinstallation, 6' 02". Courtesy Eustáquio Neves