Dislokation und sebene – zwei verwandte musikalische Konzepte untersucht, welche Rolle Musik bei der Neugestaltung oder Erzählung afrikanischer Geschichten spielt, die sich kolonialen Erzählmustern und Methoden widersetzen. Beide Konzepte stellen etablierte kartografische und historiografische Methoden in Frage, indem sie einerseits neue Erzählräume hervorbringen, die den Behauptungen kolonialer Karten widersprechen, und andererseits das Konzept der Chronophagie oder des „Aufzehrens der Zeit“ umgehen, das einem Großteil der westlichen Geschichtsschreibung zugrunde liegt. 

Die panafrikanische Kulturplattform Chimurenga entleiht diese beiden Ideen der kongolesischen Klangkultur und zeichnet die Präsenz ihrer Klänge in den Improvisationstraditionen der Schwarzen Welt nach. Sebene ist ein musikalischer Modus, der von Luambo Franco popularisiert wurde und bei dem die Leadgitarre rhythmische Phrasen spielt, die mit Variationen immer wiederkehren. Diese Variationen sind so geringfügig, dass sie nur von tanzenden Körpern wahrgenommen werden. In dieser Session wird die zyklische und kreisförmige sebene als Mittel eingesetzt, um Geschichten auszudrücken, die über das bloße Erzählen hinausgehen und nicht von einer Person oder einem Ort allein wiedergegeben werden könnten.

Auch die Dislokation stellt eine Form der Zirkulation dar, die das Primat des Ursprungs oder des ‚Originals‘ zugunsten der ‚Version‘ destabilisiert. In den Straßen von Kinshasa und in den Geschichten von Amos Tutuola wird dies als ‚Zersplitterung‘ theoretisiert; in den Tanzsälen von Kingston wird es als ‚Versionierung‘ institutionalisiert. Hier existiert der Körper nur in seinen einzelnen Teilen beziehungsweise wird nur durch sie erkannt. Mit anderen Worten: Man ist immer plural. Die Dislokation ermöglicht es, die Fragmentierung, Teilung oder Mutation eines jeden Körpers, eines Liedes oder einer Geschichte über Zeit und Raum hinweg zu verfolgen. Jede Iteration schwebt weit weg vom Mutterschiff, löst sich aber nie ganz auf und trägt die Familiennamen der Schöpfer*innen über Generationen hinweg wie Abzeichen der (Un-)Ehrbarkeit.