Jurystatement

Dieses namenlose Dorf im Ungarn der 60er Jahre, das Peter Nadas in Schauergeschichten erzählt, ist erstmal alles andere als einladend - im Grunde ist es ziemlich schrecklich. Es wimmelt nur so von bösartigen, missgünstigen und von Hass getrieben Menschen. Andauernd wird geflucht. Aber was sich hier auf 600 Seiten entfaltet ist ein vielstimmiger, vielschichtiger Gesang - rhythmisch, poetisch und derb.  Sprachkunstwerk, das sagt man so oft, aber hier trifft wirklich es zu. Die Sprache ist hier wuchtig, und das wird auch in der grandiosen Übersetzung von Heinrich Eisterer transportiert. Besonders ist auch der Textaufbau, wie die verschiedenen Stränge und Figuren miteinander verflochten sind. Es gibt keine Kapitel, keine Absätze, der Text ist wie aus einem Guss. Der Roman spielt zwar im realexistierenden Sozialismus der 60er Jahre, vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs und der Shoah. Doch auch die ungarische orbansche Gegenwart klingt unweigerlich mit. Es ist ein wichtiges, beachtliches Buch!

– Ronya Othman
 

Péter Nádas ist Fotograf und Schriftsteller. Die ungarische Zensur verhinderte das Erscheinen seines ersten Romans Ende eines Familienromans (1999). Zuletzt erschienen seine Memoiren Aufleuchtende Details (2019) und der große Roman Parallelgeschichten (2013). Nádas ist Träger zahlreicher Preise, unter anderem: Berman Literature Prize (2022), Würth-Preis für Europäische Literatur (2014), Franz-Kafka-Literaturpreis (2003), Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (1995), der Kossuth-Preis (1992), und der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur (1991), Péter Nádas lebt in Gombosszeg.

Heinrich Eisterer begann nach einem Studium der Germanistik und Finno-Ugristik und einer Dolmetscherausbildung in Wien mit dem Übersetzen. Er wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet, so mit dem Österreichischen Staatspreis für Übersetzung. Neben Péter Nádas hat er Imre Kertész und Sándor Márai ins Deutsche übertragen.
 

Info:
Péter Nádas: Schauergeschichten.
Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer
Rowohlt, 2022
Leseprobe im Reader zur Shortlist [PDF, 1MB]
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