Jurystatement

Es ist eine Sache, von der unmenschlichen Geschichte der Versklavung in den USA zu wissen. Es ist eine ganz andere, Jesmyn Wards Roman zu lesen – und zu spüren, wie sich das Leben auf einer Plantage angefühlt haben könnte. Es ist die Geschichte des Mädchens Annis, das auf einer Reisplantage in South Carolina geboren wurde. Annis wird von ihrer Mutter getrennt, auf einen Todesmarsch in den Süden geschickt und in New Orleans auf dem Markt verkauft. Immer wieder erscheint ihr die Geisterfrau Aza – vielleicht die Seele ihrer Mutter, vielleicht ein Symbol für die Erfahrung Schwarzer Frauen in der Versklavung. Lässt sich das eigentlich Leben nennen?, fragt man sich bei der Lektüre oft. Und denkt am Ende: Man muss sogar. In der Tradition von Autor*innen wie Toni Morrison verleiht Ward den Versklavten eine Stimme und erweitert den historischen Diskurs um eine zutiefst persönliche und poetische Dimension. Ihre Sprache findet elegante Metaphern für das Dasein in Gefangenschaft, die wilde Natur, eine heimliche Liebe. Die herausragende Übersetzung von Ulrike Becker überträgt diese erzählerische Kraft ins Deutsche, ohne an Präzision oder Musikalität zu verlieren.
– Khuê Phạm

Jesmyn Ward, geboren 1977, wuchs in DeLisle, Mississippi, auf. Nach einem Literaturstudium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der University of Mississippi. Sie lehrt derzeit Englische Literatur an der Tulane University in New Orleans. Jesmyn Ward ist die erste Frau und die erste Afroamerikanerin, die zweimal mit dem wichtigsten amerikanischen Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnet wurde: für Vor dem Sturm (Kunstmann, 2013) und für Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt (Kunstmann, 2018). Sie erhielt außerdem u.a. den MacArthur Genius Grant und den Library of Congress Prize for American Fiction.

Ulrike Becker studierte Amerikanistik und Theaterwissenschaften. Seit 1989 arbeitet sie als Übersetzerin; ihr Schwerpunkt liegt auf der Literaturübersetzung aus dem Englischen. Zudem ist sie als Kulturveranstalterin tätig; von 2003 an gehörte sie zehn Jahre lang zur künstlerischen Leitung des Tanzfestivals Tanz im August in Berlin. Sie lebt in Berlin-Schöneberg und Lingen (Ems).

Info:
Jesmyn Ward: So gehn wir denn hinab
Aus dem Englischen von Ulrike Becker
München: Antje Kunstmann Verlag, 2024
Leseprobe im Reader zur Shortlist [PDF; ca. 0,7MB]
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