Matthew Barneys Kunst befasst sich mit der menschlichen Physis als Metapher und zeigt sich gleichzeitig sehr körperlich in der Wahl der Materialien. Uneindeutige Geschlechtsmerkmale, Schleim oder Knochenstrukturen treffen auf Hollywood’sche Hochglanzästhetik. Auf der Basis eigener athletischer Erfahrungen erkundet Barney in seinen Performances grundlegende Aspekte menschlicher Existenz – stets mit einem Fokus auf ihre Körperlichkeit. Klar zutage tritt dieser Ansatz in dem fünfteiligen Filmzyklus Cremaster Cycle (1995–2002), der – begleitet von Skulpturen, Kunstbüchern und Fotografien – mithilfe einer einzigartigen ästhetischen Kosmologie tief in die Entstehung von Geschlecht vordringt. Die jüngsten Werke aus der Reihe Secondary (2022–) beschäftigen sich mit einem tragischen Football- Unfall 1978, der einen Spieler gelähmt zurückließ. Barneys Auseinandersetzung mit Männlichkeit und Behinderung offenbart die komplexen Dynamiken im Profi-Sport und stellt der Verherrlichung männlicher Stärke die ihr innewohnende Gewalt gegenüber. Darüber hinaus bezeugt Barneys Beteiligung am Kunstkollektiv Hands Off Our Revolution im Jahr 2017 seine politische Haltung gegen den Rechtsruck in der US-amerikanischen Politik seit Donald Trumps Amtsantritt und bettet seine künstlerische Praxis in einen aktuellen gesellschaftspolitischen Diskurs ein. Patriot (2024), eine Skulptur aus Barneys charakteristischem Material Polyethylen, verweist auf menschliche Knochen und verkörpert die typische Sportkleidung von Athleten, an denen buchstäblich kein Gramm Fleisch mehr zu sehen ist. Diese Engführung von Material und Konzept versteht sich als Provokation traditioneller Vorstellungen von gesunder, fruchtbarer Männlichkeit und stellt die faschistischen Ideale von körperlicher Überlegenheit auf den Kopf. In der Zeichnung mit dem Titel Impact Object (2024), die die Skulptur ergänzt, werden kollidierende Körper in feinen Buntstiftstrichen dargestellt. Die komplexe Überlagerung mehrerer halbtransparenter Perspektiven erzeugt das plastische Bild einer an Eingeweide erinnernden Masse, die aus Sportbekleidung hervorquillt. Diese Bildsprache suggeriert eine gewisse biologische Komplexität, kann aber auch als Darstellung eines kopulierenden gleichgeschlechtlichen Paares verstanden werden und lädt damit zu einer nuancierten Auseinandersetzung mit Themen wie unterdrückter Intimität und toxischem Leistungsdenken im Sport ein.

WERKE IN DER AUSSTELLUNG: Patriot (2024), 4 Elemente aus hochverdichtetem Polyethylen, N.F.L. Trikot, 213,4 × 182,9 × 182,9 cm; Impact Object (2024), Buntstift auf Papier in einem Rahmen aus hochverdichtetem Polyethylen, 37,5 × 43,8 × 3,5 cm. Courtesy Matthew Barney, Gladstone, Sadie Coles HQ, Regen Projects und Galerie Max Hetzler