Zu Beginn der 1990er Jahre, als sich Taiwan gerade von den Zwängen des Kriegsrechts und der autoritären Herrschaft befreit hatte, erregte Hou Chun-Ming großes Aufsehen mit seinen Holzschnitten und Illustrationen über Sexualität, Körperlichkeit und Queerness. Die radikale Verbindung von Erotik und religiösem Symbolismus evoziert Fragen nach Macht, Lust und gesellschaftlicher Repression. Hous Grafiken, Installationen und Performances dokumentieren soziale Umbrüche und hinterfragen geltende Tabus und politische Machtstrukturen in Taiwan. Eine persönliche Krise Ende der 1990er ließ den Künstler sich der inneren Heilung zuwenden. Kunst wurde zu seinem therapeutischen Medium auf dem Weg zur seelischen Regeneration und Selbsterkenntnis. Hous Bildsprache ist geprägt von einer ureigenen Mythologie aus Göttern, Zauberzeichen und spirituellen Ritualen; sein künstlerisches Werk oszilliert zwischen Mythos und Gegenwart, verwebt taiwanischen Volksglauben mit Sexualität und Selbstbefragung. Body Image: Man Hole (2017) basiert auf Interviews mit Männern aus der taiwanischen LGBTQIA+ Community über ihre sexuellen Vorlieben und Erfahrungen. Das Projekt beleuchtet elterliche, insbesondere väterliche Einflüsse auf Sexualität und thematisiert Identität, Begehren und Familie. Revolt of the Slave (2017) erzählt von einem Mann, der als Kind unter der Demütigung und Ablehnung seines Vaters zu leiden hatte. Seine BDSM-Präferenz, Beleidigungen, Strafen und Schmerzen zu akzeptieren, dient heute einem Erlebnis bedingungsloser Liebe. Für The Asian Father Interview Project hat Hou seit 2008 Menschen aus sechs asiatischen Städten über die Beziehung zu ihren Vätern interviewt. Ihre Gefühle und Erinnerungen übersetzten die Teilnehmenden in visuelle Metaphern. In der Interpretation des Künstlers verschmelzen sie zu einem vielschichtigen Kommentar über Identität, Familie und Gesellschaft. Der Vater als autoritäre Figur steht symbolisch für den Staat; die familiären mikropolitischen Machtverhältnisse spiegeln die sozialen und politischen Hierarchien. In Hongkong interviewte Hou 2016 ausschließlich schwule Männer. Traditionelle Geschlechterrollen und Gehorsam den Eltern gegenüber sind in den konfuzianisch geprägten Gesellschaften Ostasiens tief verankert. The Asian Father: Fathers of Male Homosexuals in Hong Kong (2016) beleuchtet dieses Spannungsfeld und trägt dazu bei, queere Stimmen und Erfahrungen zu stärken.

WERKE IN DER AUSSTELLUNG: Revolt of the Slave, aus der Serie Body Image: Man Hole (2017), Farbe und Blattgold auf Papier, 326,4 × 156,8 cm; The Asian Father: Seoul (2018), Serie aus 3 Werkgruppen, Acryl auf Pappe, Öl und Pastell auf Papier, QR-Codes, Maße variabel; The Asian Father: Fathers of Male Homosexuals in Hong Kong (2016), Serie aus 6 Arbeiten aus Acryl auf Nylontaschen, QR-Codes, Maße variabel; The Asian Father: Bangkok (2010), Serie aus 6 Arbeiten, Acryl auf Schreibbüchern, QR-Codes, Maße variabel. Courtesy Hou Chun-Ming und Each Modern