Hao Jingban

Hao Jingban, Still aus Slow Motion (2018). Courtesy Hao Jingban und Blindspot Gallery
Hao Jingbans filmisches Werk konzentriert sich auf Chinas jüngere Geschichte und den andauernden Modernisierungsprozess des Landes. Die Künstlerin untersucht Erinnerungen und Gefühle, die in einer von rasanter wirtschaftlicher Entwicklung angetriebenen und von Entpolitisierung geprägten Gesellschaft kaum noch greifbar sind. In ihrer Serie Beijing Ballroom (2012–2016) beispielsweise geht Hao den affektiven Folgen der modernen Revolutionen Chinas anhand tanzender Körper auf den Grund. Auf Basis von Archivmaterial und selbst gedrehten Aufnahmen taucht die Videoarbeit in die subtilen Schichten persönlicher Erfahrungen ein, die einem kontinuierlichen politischen Wandel ausgesetzt sind. In ihrer Arbeit Slow Motion (2018) hielt Hao die Zwangsumsiedlung von Wanderarbeiter*innen in den Außenbezirken Pekings im Winter 2017 fest, nachdem bei einem Brand in einem überfüllten Wohnblock 19 Menschen ums Leben gekommen waren. Die Stadtverwaltung startete daraufhin eine Kampagne zur Überprüfung „illegaler Bauten” und zur Entfernung des „niederen Volks“. Diese viel kritisierte Aktion führte zur Vertreibung von Zehntausenden von Arbeiter*innen mit niedrigem Einkommen – viele von ihnen unregistriert – als Teil einer umfassenderen Strategie, die Stadt durch urbane „Säuberungsmaßnahmen” umzustrukturieren. Begleitet vom Song Freedom Day der amerikanischen Jazz-Musiker*innen und Bürgerrechtler*innen Abbey Lincoln und Max Roach verbindet der Kurzfilm Zeitlupen-Aufnahmen von Arbeiter*innen, die nachts ihre persönlichen Gegenstände einladen und entsorgen, mit einem Monolog der Künstlerin. Darin analysiert sie die titelgebende Slow Motion als eine Filmsprache, die nicht zuletzt eingesetzt wird, um den Genuss beim Betrachten von Gewalt zu akzentuieren und in die Länge zu ziehen. Hao nutzt Zeitlupe als Ausdruck der Brutalität der Macht und macht durch die scheinbar banalen Bilder die tief verwurzelte Ungleichheit in der Gesellschaft, in der sie lebt, sichtbar.
WERK IN DER AUSSTELLUNG: Slow Motion (2018), 1-Kanal-Video, 6' 45". Courtesy Hao Jingban