Gülsün Karamustafa

Gülsün Karamustafa, Window (1980). Courtesy Gülsün Karamustafa und BüroSarıgedik, Salt Research, Gülsün Karamustafa Archive
Gülsün Karamustafas künstlerisches Schaffen rekurriert immer wieder auf die Überlagerungen von Erinnerung, Vertreibung und Zugehörigkeit. Seit mehr als vier Jahrzehnten bewegt sie sich mühelos zwischen verschiedenen Medien – Installation, Textil, Malerei, Video –, ohne je den intimen, oft fragmentarischen Stoff aus dem Blick zu verlieren, aus dem gelebte Erfahrung gewebt ist. Ihre Kunst baut der Vergangenheit kein Denkmal; sie gleitet sanft durch sie hindurch, voll Feingefühl für private wie politische Spuren. Global Fascisms präsentiert eine Auswahl von Werken Karamustafas, die sich mit verschiedenen Epochen in der Türkei und der Welt befassen. Sie bringen ihr Engagement zum Ausdruck, politische Unterdrückung nicht nur zu dokumentieren, sondern sich aktiv damit auseinanderzusetzen und Widerstand zu leisten. Die 1970er Jahre waren eine unruhige Zeit in der Türkei, geprägt von einer Reihe gewalttätiger staatlicher oder rechtsextremer Angriffe, darunter eine Intervention des Militärs 1971 und der Staatsstreich von 1980. Bilder wie Soldier (1976) und Window (1980) spiegeln die politischen Turbulenzen und die Spannung zwischen privatem und öffentlichem Raum wider. Painting for poster – 1977 First of May (1977) ist eine Reaktion auf den tödlichen Angriff auf linke Demonstrant*innen auf dem Taksim-Platz in Istanbul am 1. Mai 1977. Das Gemälde erinnert an die 36 Menschen, die durch Schüsse der Polizei ums Leben kamen. In der Installation Stage (1998) verwendet die Künstlerin ein Foto von sich und ihrem Ehemann während ihres Verfahrens vor dem Militärgericht 1971. Das rotierende Licht, das den Text „Stage.Control.Regime.Ideology“ projiziert, bewegt sich langsam über Wände, Decken und Böden wie ein Suchscheinwerfer über einem Gefängnishof. In der Ausstellung schafft es eine andere Art Theaterbühne. Die neue Installation Reminder (2025), bestehend aus 25 Tafeln, ähnelt einem politischen Wandgemälde. Das Werk ist den ersten 25 Jahren dieses Jahrhunderts gewidmet, seinen Protesten und deren Botschaften, die sich dem weltweit wiederauflebenden Faschismus entgegenstellen, sowie der ihnen drohenden Zensur. Karamustafa schafft einen Raum der Reflexion, einen Ort, an dem das Erinnern dazu aufruft, die Geschichte sich nicht wiederholen zu lassen.
Reminder wurde in Auftrag gegeben vom Haus der Kulturen der Welt (HKW) und produziert von Gülsün Karamustafa und HKW, 2025. Mit freundlicher Unterstützung von SAHA
WERKE IN DER AUSSTELLUNG: V. l. n. r.: Painting for poster – 1977 First of May (in that bloody celebration 36 People Lost their Lives with Gun Fire from the Police) (1977), Mischtechnik auf Papier, gerahmt 84 × 62 × 5 cm; Soldier (1976), Mischtechnik auf Papier, gerahmt 70.5 × 58.5 cm; Window (1980), Mischtechnik auf Papier, gerahmt 73 × 66,5 cm; Reminder (2025), Mischtechnik, Maße variabel; Stage (1998), Digitaldruck und Projektion, 110 × 130 cm. Courtesy Gülsün Karamustafa und BüroSarıgedik. Soldier und Window Salt Research, Gülsün Karamustafa Archive.