Carlos Lepppe

Carlos Leppe, Still aus Las Cantatrices (1980). Courtesy Archivo Carlos Leppe
Am eigenen Leib zeigt Carlos Leppe die harsche Wirklichkeit des Lebens in einer Diktatur und offenbart, wie sich Regime, die die Gesellschaft bis in die Privatsphäre hinein kontrollieren, in den individuellen und kollektiven Körper einschreiben. In Chile ist Leppe wegweisend für eine Kunst, die den Körper und die Brüchigkeit seiner psychischen Prozesse thematisiert. Seine Happenings, Aktionen, Installationen sowie die Objekt- und Bildproduktion stecken voller Symbole. Sie offenbaren – oder verbergen – die Lesbarkeit des Körpers als Text und fordern das Publikum auf, mit dem eigenen Unwohlsein, der eigenen Verwirrung umzugehen. Was kann ein Körper ertragen, wo kann er sich widersetzen? Partizipation ist hier im moralischen Sinn als Einladung zu verstehen, institutionelle Gewalt sichtbar zu machen und anzuklagen. Gleichermaßen partizipativ waren Leppes Werke in ihrer Entstehung. Unter anderem werden die Menschen, die seine Performances filmten, explizit genannt, beispielsweise die Kulturtheoretikerin Nelly Richard, die bei den vier in der Ausstellung gezeigten Videos Regie führte. In dreien davon wird Leppes Körper komplett eingegipst – in Posen, die Tragödien im Theater parodieren. Dabei bleiben nur Öffnungen für die Brüste offen, für etwas, das einem schwangeren Bauch ähnelt, und für ein auf der Spitze stehendes Dreieck, das die Genitalien verdeckt. Vor einem Hintergrund in den Farben der chilenischen Flagge formt der Künstler in vollem Opern-Make-up mit den Lippen Szenen des Wahnsinns aus Arien von Maria Callas nach, während Zahnzangen seine Lippen offenhalten. Leppes Extravaganz und Ausdruckstärke kontrastieren mit einer die Gesichtszüge verzerrenden Folter und den so emotional wie intensiven Schreien aus drei Lautsprechern. Parallel dazu liest seine Mutter im vierten Video einen Bericht über die schmerzhafte Geburt des Künstlers. Der in Leppes Werk präsente leidende Körper wird zum Röntgenbild einer Gesellschaft, die einer extremen Homogenisierung, Regulierung und Unterdrückung unterzogen wurde.
WERK IN DER AUSSTELLUNG: Las Cantatrices (1980), 4-Kanal-Videoperformance (BETA), Farbe, Ton, 18'20". Courtesy Archivo Carlos Leppe