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Aus Liebe zur Freiheit?

Franklin be- und entgegnen

Installation

2023–2027

Ansicht der Installation. Foto: Laura Fiorio/HKW

Ansicht der Installation. Foto: Laura Fiorio/HKW

Das Gebäude, in dem sich das HKW befindet, ist eine Architekturikone der westlichen Nachkriegsmoderne; als politisches Symbol hat sich seine Geschichte auf vielfältige Weise in die Mauern und Wände eingeschrieben. Diese Ideologisierung zeigt sich nicht bloß darin, dass die Kongresshalle, errichtet als US-Beitrag zur Interbau 1957, der Stadt Westberlin im Kontext des Kalten Krieges von den USA als Geschenk übergeben wurde, sondern auch in ihrer Architektur sowie – ganz konkret – in einer Wandinschrift, welche die Besucher*innen im Hauptfoyer empfängt. In eine Marmorwand eingraviert steht dort auf Englisch und Deutsch: 

Gebe Gott, dass nicht nur die Liebe zur Freiheit, sondern auch ein tiefes Bewusstsein von den Rechten der Menschen alle Völker der Erde durchdringe, so dass ein Philosoph, wohin immer er seinen Fuss auch setzen möge, sagen kann: ‚Dies ist mein Vaterland‘
Benjamin Franklin

Diesen Idealen und dem Manne, der sie ausgesprochen und nach ihnen gelebt hat, ist diese Kongresshalle gewidmet

Im Mai 1955 wurde unter der Führung von Eleanor Dulles, der Berlin-Beauftragten des US-Außenministeriums, eine gemeinnützige Stiftung gegründet, um den Bau zu finanzieren. Bei der Entwicklung des architektonischen Konzepts lag ein besonderer Schwerpunkt auf dem symbolischen Charakter des Gebäudes als Forum für den freien Austausch von Ideen. Dulles sah das Gebäude in West-Berlin – nur wenige hundert Meter vom sowjetischen Sektor entfernt – als „einen Leuchtturm, der nach Osten hin strahlt“. Benjamin Franklin (1706–1790), einer der Gründungsväter der USA, der Menschen versklavte und vom Handel mit ihnen profitierte, wird hier als Verkörperung des Ideals der intellektuellen Freiheit präsentiert. Zum Namenspatron der Stiftung wurde er gewählt, weil die Grundsteinlegung der Kongresshalle mit seinem 250. Geburtstag zusammenfiel. Das Franklin-Zitat diente als Erinnerung an die Mission des Gebäudes, seinen Zweck und seine ideologische Symbolik.

1989 wurde die Kongresshalle umbenannt und als Haus der Kulturen der Welt neu eröffnet. Bei der historischen Würdigung des Hauses und seiner Umwidmung blieben allerdings wesentliche Aspekte von Imperialismus und Kolonialismus weitgehend unberücksichtigt. Als die Kongresshalle errichtet wurde, gab es weltweit nur rund 100 souveräne Staaten; die überwältigende Mehrheit der weiteren 95 Länder, die es heute gibt – einschließlich Kamerun, Geburtsland des derzeitigen Intendanten des Hauses, Prof. Dr. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung –, mussten erst noch ihre territoriale und politische Souveränität von verschiedenen europäischen Kolonialmächten zurückerobern. Zugleich hatten die USA erfolgreich ihre imperiale Expansion und – von der Verfassung nicht abgedeckte – Kontrolle über Amerikanisch-Samoa, Guam, das Commonwealth der Nördlichen Marianen, Puerto Rico sowie die Amerikanischen Jungferninseln als ein System der „Überseeterritorien“ beziehungsweise „Außengebiete“ gefestigt; zudem unterhielten sie über alle Kontinente verteilt Hunderte von Militärstützpunkten.

Im Kontext des US-Imperialismus – regelmäßig durch Verweise auf die „Liebe zur Freiheit“ und die „Rechte des Menschen/Mannes“ legitimiert – hatte Franklins unterschwellig formulierter Zugriffsanspruch auf die Geografien der Welt weitreichende Implikationen. Die Schlüsselrollen, die Eleanor Dulles und ihre Brüder in der US-Regierung mit ihrer aggressiven Außenpolitik während der Hochphase des Kalten Krieges spielten, veranschaulichen diese Tradition sehr deutlich. Im Namen der „Verteidigung der Freiheit“ formulierte John Foster Dulles (US-Außenminister 1953–1959; nach ihm ist die Straße vor dem HKW benannt) 1954 die Strategie der „massiven Vergeltung“ zur nuklearen Abschreckung und bestärkte die Umsetzung enormer, unverhältnismäßiger militärischer Maßnahmen als Reaktion auf jedwede Angriffe; Allen Dulles wiederum leitete als CIA-Chef (1953–1961) verdeckte Operationen zum Umsturz der Regierungen im Iran und in Guatemala.

Das HKW möchte die Begrenztheit von Franklins Zitat und die ihm inhärente gewaltvolle, imperiale Vision aufzeigen sowie die paradigmatischen Implikationen der beinahe beiläufigen Bezugnahme auf das koloniale Drehbuch im Namen universalistischer Werte infrage stellen. Das HKW erkennt die Notwendigkeit anderer Perspektiven, um sich mit der Monumentalität, Dauerhaftigkeit und ideologischen Belastung des Zitats auseinanderzusetzen und eine kritische Diskussion zu Franklins Autorität über das Gebäude und die darin befindlichen Institutionen zu führen. Dafür lädt das Haus mehr als ein Dutzend bedeutende Persönlichkeiten aus diversen Disziplinen und Geografien ein, ihre eigenen Zitate in Reaktion auf die Aussage Franklins beizutragen. Sie werden in Form einer längerfristigen, von Studio Yukiko entworfenen Installation rund um das Franklin-Zitat im HKW-Foyer gezeigt.