Die Bibliothek erstreckt sich über die gesamte Beatriz Nascimento Halle. Besucher*innen sind eingeladen, in einen immersiven Raum einzutauchen, sich der Reflexion hinzugeben und Verbindungen zu vertiefen, die in anderen Zonen der Ausstellung ihren Anfang nehmen. Die Bibliothek bietet visuelles, textliches und haptisches Material. Vorhänge dienen als Leinwand für Erzählungen aus dem privaten Archiv der ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter David Macou, Geraldo Paunde und Zefanias Dlaze. In der Sammlung finden sich Beschreibungen des Alltags, Bilder aus der Arbeitswelt und Freizeit sowie Verweise auf historische Ereignisse, wie etwa der Staatsbesuch von Samora Machel: David Macou fotografierte, als der erste Präsident Mosambiks nach der Unabhängigkeit des Landes 1975 in die DDR reiste.

Wir hören Macou im Interview, mit dem die Bilder unterlegt sind. Vor dem Zusammenbruch der Schwerindustrie infolge der deutschen Vereinigung arbeitete er, wie Paunde und Dlaze, in Hoyerswerda. Ab dem 17. September 1991 war die sächsische Stadt Schau-platz massiver rassistischer Ausschreitungen. Weitgehend unbeachtet von der Polizei terrorisierte ein mehrere hundert Personen großer Mob tagelang gezielt Gruppen von Menschen und zerstörte Gebäude. Die gewalttätigen Übergriffe dauerten bis zum 20. September an. Sie trafen nicht nur die vietnamesischen und mosambikanischen Einwohner*innen in Hoyerswerda, sondern auch etwa 200 Geflüchtete, die in einem städtischen Wohnheim untergebracht waren. Die Ereignisse führten zu einem empörten Aufschrei in nationalen und internationalen Medien. Der Name Hoyerswerda steht seither als Synonym für die rechtsextremistische Gewalt jener Zeit.

Diese und ähnliche Geschichten finden sich in der Bibliothek als Beispiele für das Leben der Arbeitsmigrant*innen in der DDR und in den anschließenden Jahren der Vereinigung. Horizontal über die hintere Wand der Beatriz Nascimento Halle zieht sich eine Sammlung von Drucksachen, diversen literarischen und aktuellen Texten, Zeitschriften, Flugblättern, Broschüren und anderem Material, das die Sujets der sechs thematischen Resonanzen aufgreift und weiterführt. Die Bibliothek verknüpft, vertieft und erweitert die Wirkungsgeschichte der DDR und ihrer ,Bruderländer‘. Sie bietet einen Resonanzraum der Ausstellung und lädt das Publikum zur Auseinandersetzung und Interaktion ein.