Ausgangspunkt für Charles Mudedes Keynote ist der vorletzte Track von Robert Hoods Album Minimal Nation, das Techno-Meisterwerk „Sleep Cycle“. Die Inspiration für dieses fast siebenminütige Stück ist ein Schwarzer Gottesdienst in den USA. Man kann hören, wie der Geist durch das 2/4-Klatschen des Chors fährt, man ahnt die aufbrausenden Worte des Pastors – alle Elemente sind angelegt. Aber es geht hier nicht um eine Kirche für Menschen, sondern für Roboter. Dem strengen Minimalismus und der mechanischen Entschlossenheit der Musik zum Trotz ist der Gott des Schwarzen Amerikas in dieser Androiden-Gemeinde sehr präsent. Diese Interpretation von „Sleep Cycle“ ist keineswegs weit hergeholt – Hood, eine Schlüsselfigur in der Entwicklung des minimalistischen Detroit-Techno, ist tief religiös und berühmt dafür, seine DJ-Sets mit Predigten zu eröffnen. 

Robert Hoods Kirchenroboter sind jedoch nicht allein in ihrem Tun. Kreaturen ähnlicher Art finden sich auch in der Fernsehserie Battlestar Galactica von 2004. Die dortigen Roboter, Zylonen genannt, sind mechanisch und biotechnisch hergestellt. Sie haben die höchste Stufe von Künstlicher Intelligenz und Selbstbewusstsein erreicht. Sie glauben an Gott und an ein Leben nach dem Tod. In einer Staffel der Serie, die auf einem Planeten namens Neu Caprica spielt, vereint sich ein Zylon mit Gott, indem er wiederholt Selbstmord begeht. Die Roboter glauben an ein Leben nach dem Tod, und nur im Tod kann ihr Gott bestätigt und erfahren werden. 

Vom Schwarzen Robotergottesdienst und den gottesfürchtigen Zylonen ist es nur ein kleiner Schritt hin zu jener Kapelle, die 2021 in der Ausstellung The Word of the Future von Jacob Peter Fennell und Reilly Donovan im Museum of Museums in Seattle zu sehen war. Auch in dieser und in den weiteren Installationen der Ausstellung sind die Betenden keine Menschen, sondern Künstliche Intelligenzen. Wie lassen sich ihre Träume vom künstlichen Göttlichen zusammenfassen? Mudedes Vortrag geht genau dieser Frage nach und orientiert sich dabei an einem Gedanken, der 2010 vom französischen Philosophen Quentin Meillassoux formuliert wurde: Heute mag Gott nicht existieren – was aber, wenn er in der Zukunft existiert?