Performative screening: Der Golem, wie er in die Welt kam (The Golem: How He Came into the World) (Stummfilm, restaurierte Fassung, Deutschland, 1920, R: Paul Wegener und Carl Boese) w/ Sofia Borges, 90'

Prag im 16. Jahrhundert: Der Kaiser will die jüdische Bevölkerung aus der Stadt vertreiben. Rabbi Löw erschafft die legendäre Lehmfigur Golem, um das drohende Unheil für die Bewohner des jüdischen Ghettos abzuwenden. Historisch gesehen war der Golem eine Metapher für die Beziehung zwischen Künstler und Schöpfung, seit jeher ein abschreckendes Beispiel für künstliche Intelligenz. “Der Golem, wie er in die Welt” kam war Paul Wegeners dritte Verfilmung der jüdischen Legende. Der Film war einer der künstlerisch sowie wirtschaftlich größten Erfolge der deutschen Stummfilmproduktion, dessen außergewöhnliche expressionistische Bild- und Dekorgestaltung bis heute nichts von ihrer suggestiven Wirkung verloren hat. In seiner Vermischung der Mythologie des Golems mit avantgardistischen Methoden der frühen Filmarchitektur zum Zeiter der Industrialisierung ist “Der Golem, wie er in die Welt kam” ein Zeitdokument, das 100 Jahre nach der Premiere nicht weniger dringlich erscheint als zum Zeitpunkt seiner Entstehung, da er die theologische Hoffnung auf maschinische Rettung ebenso befragt, wie die Dichotomien organischem und künstlichen Lebens. Als künstlich erschaffenes Leben, das der Binarität von Fluch oder Segen zu entfliehen sucht, dient uns der Golem als Befragung dominanter KI Narrative und den Mythen einer AGI - einer Allgemeinen Künstlichen Intelligenz. Der Film fragt nicht nur nach den Ursprüngen von Feindschaftsmotiven, sondern auch die Vorstellungen von Alterität als komplette Andersartigkeit. Können wir mit dem Golem Leben lernen, oder ist er gar schon lange Teil unterschiedlichster Facetten unserer Lebensrealität? 

Die Künstlerin Sofia Borges vertont den Stummfilm mit einem Arrangement für Perkussion und Elektronik. Die komplexe Schichtung klanglicher und emotionaler Texturen in dieser Klangperformance nimmt die Betrachter*innen mit auf eine immersive Reise, die den Filmfiguren klangliche Persönlichkeit verleiht und die unsichtbaren Farben der Geschichte durch Klang schillern lässt. Borges’ körperliche Präsenz an den Perkussionsinstrumenten stellt Fragen der Automatisierung, Verkörperung und der Zusammenarbeit mit Technologie in den Mittelpunkt. Klang wird so zum Mittel der Suche nach technologisierten Vorstellungen von Alterität und einem Leben jenseits der Binarität.

Ein Film aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (www.murnau-stiftung.de) in Wiesbaden