Waktu Batu

Waktu Batu ist formbewusstes, aktuelles Theater - ein prächtiges und vielschichtes Panorama Indonesiens, einer Nation auf dem Weg ins 20. Jahrhundert

von Teater Garasi

„Waktu Batu #3 beruht auf einer Neuinterpretationen einiger javanesischer Mythen über die Zeit, aus der historischen Periode des 14. und 15. Jahrhunderts, als der Kolonialismus in Indonesien Einzug hielt. Diese Mythen werden Momenten des Übergangs und Problemen der ‚Identität’ gegenübergestellt, wie sie die Moderne in Indonesien hervorgebracht hat. Die Form der Aufführung ist eine Collage aus physischem Theater, lyrischen Texten, Gesten des täglichen Lebens, Klangforschungen und Video-Kunst. Wir bedienen uns einer eklektischen Vorgehensweise als kreativem Ansatz unserer Performance. Diese Methode ist gleichzeitig ein Spiegel unseres gegenwärtigen Lebens: fragmentiert und schizophren, entstanden aus der Flut von Information und Terror.

Waktu Batu ist außerdem ein Theater-Projekt, das Literaturrecherchen und den Besuch antiker Stätten auf Java einschließt, sowie eine Diskussionsreihe und Workshops. Wir sehen Theaterarbeit als einen Weg, den Problemen einer Übergangsgesellschaft auf den Grund zu gehen und vor allem das Problem einer Identität zu beleuchten, die entstanden ist aus der Spannung zwischen traditionellen Werten und der sogenannten „Moderne“, wie sie der Kolonialismus nach Indonesien brachte.

Unser Verständnis der Spannungen, die der Identitätspolitik dieses Landes innewohnen, ist untrennbar verbunden mit der Erfahrung, in einem extrem pluralistischen Land aufgewachsen zu sein. Diese Spannungen zeigen sich auch im Gegenwartstheater: Was, wie und wer kann Teil eines „indonesischen Theaters sein? Theater wird heute noch von vielen Indonesiern als eine Welt fremder Ideen und als eine Form des künstlerischen Ausdrucks angesehen, die nicht Teil der genuinen indonesischen Kultur ist. Demgegenüber verstehen wir Identität als instabil und unbestimmt. Statt nach einer essenzialistischen Identität zu suchen, halten wir an der Spannung fest, die aus der Identifikation selbst hervorgeht. Das zeigt sich nicht zuletzt in dem anhaltenden Versuch, sich von der gängigen Ost-West Dichotomie zu lösen - sowohl im Kontext der Identitätsdikussion als auch als Grundstein einer kreativen Orientierung aktueller Theateraktivitäten in Indonesien.

Teater Garasi versteht sich als Laboratorium der Theaterkunst auf der Basis solider Recherche und eines Studiums der kreativen Tradition der Darstellenden Künste. Es lebt von dem andauernden Bemühen, einen Raum des Dialoges für eine erträumte Gesellschaft zu schaffen: kritisch, intelligent und mündig.“



Javanesische Mythen


Watugunung

In dieser Geschichte taucht ein universales Thema in Form des Ödipus-Komplexes auf, das das Inzest-Tabu aufgreift und davon handelt, wie eine Mutter ein lang verloren geglaubtes Kind durch die Entdeckung einer Wunde wiederfindet. Die Besonderheit dieses Mythos liegt in seiner engen Anbindung an den Panukon-Kalender, der die Wurzel der rituellen Abläufe der Insel bildet. Es geht also um ein Bewusstsein von Zeit und die Fähigkeit, über die natürliche und göttliche Gewalt zu wachen. Beides ist im Selbst und in der Welt vorhanden. In diesem Sinne kommuniziert der Mythos die Grundlagen eines Gesellschaftssystems an die Menschen.


Murwa Kala

Murwa bedeutet die Eroberung der Zeit. Es handelt sich hier um ein traditionelles Schauspiel, das als Reinigungsritual aufgeführt wird. Dieses Ritual wird durchgeführt, um das Volk der Sukerla zu reinigen, dessen Mitglieder wegen vergangener Missetaten verflucht sind und von Geburt an Krankheiten in sich tragen. Das Stück erzählt von der Geburt Balara Kalas, der sich von Menschenopfern ernährt und von der Eroberung Kalas, der Zeit. Vishnu selbst kommt auf die Erde, um das Volk zu retten und von Batara Kala zu befreien.


Sudamala

Der Mythos berichtet von Uma, die wegen ihrer Sünden verflucht ist und als weiblicher Riese leben muss. Sie wird mit Kala, ihrem eigenen Sohn vermählt und regiert das Königreich der Dunkelheit (ein Dschungel voller Leichengeruch). Es gehört zu Kalas Pflichten, Menschen des Sukerla-Volkes zu essen ... Auch dieser Mythos wird als Reinigungsritual aufgeführt.