Curator's Night: Ou Ning

Der Filmemacher und Kurator Ou Ning stellt zwei aktuelle Produktionen aus Guangzhou (ehemals Kanton), der Hauptstadt des Perlflussdeltas vor. Seine Filmretrospektive "Moving Images of Pearl River Delta: 1898-2005" wurde letztes Jahr beim Hong Kong International Film Festival und der Guangzhou Triennale gezeigt.

Moments

R: Jiang Zhi

China 2002/3, 40 min, OmeU

Mit einem Camcorder ausgerüstet dokumentiert der Künstler Jiang Zhi Fragmente des urbanen Lebens in Shenzhen: Ein alter Mann geht am Stock, zeigt immer wieder hierhin und dorthin, eine Gruppe von Wanderarbeitern steht auf dem Bürgersteig, vor einem Fernseher, in ihren Gesichtern spiegelt sich das Geschehen des Films, ein Madonna-Imitator heizt das Publikum einer Show mit sexuell anzüglichen Gesten an, Kinder ahmen seine Bewegungen nach... All diese unterschiedlichen Momente machen das Drama einer Gesellschaft aus - von Menschen, die am unteren Ende der sozialen Hierarchie leben.

Houjie Township

R: Zhou Hao, Ji Jianghong

China 2003, 91 min, OmeU

Im Unterschied zu Moments, der die Menschen auf der Suche nach Unterhaltung zeigt, folgt die Kamera in Houjie Township den Arbeitern von Houjie in ihre armseligen Wohnungen. Der Film taucht tief in den Alltag der Menschen ein, zeigt private Gespräche, aber auch gegenseitige Verdächtigungen und Streitereien, Verletzungen, die die Menschen einander zufügen. Das Leben in den Mietshäusern ist gefährlich: Diebstahl, Mord aus Rache, Gasexplosionen sind an der Tagesordnung. Um in das Innere dieser Welt vorzudringen, brachten die Filmemacher den Arbeitern bei, einen Camcorder zu bedienen, um sich gegenseitig zu interviewen und zu filmen. So entstand ein real life Drama, das weit bewegender ist als jede Fiktion.

„Wie von Rem Koolhaas in Great Leap Forward beschrieben, hat das Perlfluss-Delta [im Süden Chinas, nordwestlich von Hong Kong] den nachhaltigsten Urbanisierungsprozess im modernen China durchlebt. Die daraus entstehenden Konflikte machten die Region zu einer Zone of Urgency, wie es Hou Hanru nennt. Allein in Guangzhou, der Hauptstadt der Region, sind über 120 so genannter ‚Dörfer in der Stadt’ entstanden mit all den dazugehörigen Problemen wie Enteignung und Perspektivlosigkeit der nun arbeitslosen Bauern. Bisher gibt es wenige künstlerische Versuche, in diese Realität einzudringen. Umso wertvoller ist die Aufmerksamkeit, die unabhängige Film- und Videoproduzenten der Region schenken. Während Mainstream-Filme ihr Objekt entweder beschönigen oder von der Realität loslösen, zeichnen sich die unabhängigen Produktionen durch die Leidenschaft aus, mit der sie das Land zu ihren Füßen und die Menschen, die um sie herum leben, betrachten. Mit ihren DV-Kameras durchstreifen sie die Städte, um Szenen und Begebenheiten zu filmen, die sie interessieren.“ (Ou Ning)

Ou Ning begann seine künstlerische Karriere als Lyriker, betätigte sich aber auch als Initiator einer alternativen Musikorganisation, eines Kunstverlages sowie eines Literatur- und Kunstcafes in Guangzhou. Auf der 50. Biennale in Venedig 2004 stellte er in der Zona di Urgenza (Dringlichkeitszone/Kurator Hou Hanru) das Projekt San Yuang Li vor, das ein ‚Dorf in der Stadt’ porträtiert. 2005 war er Stipendiat des von der Bundeskulturstiftung initiierten Projekts Beijing Case – Kultur des HighSpeed Urbanismus.