Konzert

Deutsches Symphonieorchester Berlin

Kammermusikensemble des DSO

So 9.10.2005
12h
Eintritt: 13 €, ermäßigt 10 €, Festivalticket: 30 €




Deutsches Symphonieorchester Berlin, Copyright: Promo

Die Matinee präsentiert Werke, die auf verschiedene Art und Weise Bezüge zur Gamelanmusik Indonesiens aufweisen: Colin McPhee verstand seine Transkriptionen originaler balinesischer Musik für 2 Klaviere als Versuch, die Faszination dieser Musik einem westlichen Publikum zu vermitteln. Bei Lou Harrison überwiegt die Suche nach neuartigen Melodietypen. Dieter Mack stellt kollektive Aspekte und zyklische Strukturen in den Mittelpunkt. Slamet A. Sjukurs Duett für Flöte und Perkussion „Ji-lala-Ji“ steht scheinbar außerhalb der indonesischen Tradition. Dennoch verarbeitet das Werk spieltechnische Aspekte der westjavanischen Musiktradition und basiert auf einem dortigen Volkslied.


Programm:

Colin McPhee (1900-1964): „Balinese Ceremonial Music“ (1936)

für 2 Klaviere

Interpreten: Holger Groschopp und Angela Gassenhuber


Lou Harrison (1917-2003): „Suite for Violin, Piano and Small Orchestra“ (1985) für Solo Klavier, Solo-Violine und2 Flöten, Oboe, Tack Piano, Harfe, Celesta, TamTam 2 Celli und Kontrabass.

Interpreten:

Holger Groschopp, Klavier

Angela Gassenhuber, Celesta

Philip Mayers, Tack-Piano

Nari Brandner, Solo-Violine

Frauke Ross, Gergely Bodoky, Flöte

Isabel Mayer, Oboe

Elsie Bedleem, Harfe

Adele Bitter, Leslie Riva, Cello

Matthias Hendel, Kontrabass

Jens Hilse, Tam-Tam


Slamet A. Sjukur: „Ji Lala Ji“ (1989)

für Flöte und Schlagzeug

Interpreten:

Frauke Ross, Flöten

Jens Hilse, Schlagzeug


Dieter Mack „Taro“ (1987)

für Flöte, Bassklarinette, Schlagzeug und 2 Klaviere

Interpreten:

Klavier: Holger Groschopp, Angela Gassenhuber

Flöte: Frauke Ross

Baßklarinette: Richard Obermayer

Schlagzeug: Jens Hilse



Colin McPhee trat zu Beginn seiner künstlerischen Karriere vor allem als virtuoser Pianist in Erscheinung. Kompositorisch orientierte er sich am populären Neo-Klassizismus seiner Zeit, bei besonderer Betonung rhythmischer Raffinessen, wie man sie auch bei Strawinsky oder Bartok findet. Durch die Vermittlung Henry Cowells wurde McPhee Ende der 20er Jahre mit den ersten Schellackplatten balinesischer Gamelanmusik konfrontiert, die sein Leben grundlegend verändern sollten. McPhee lebte insgesamt 9 Jahre auf Bali und verfasste nach seiner Rückkehr das noch heute geschätzte Standardwerk über balinesische Musik. Leider konnte McPhee, der in den 1950er und 60er Jahren in Amerika lebte, nie mehr richtig Fuß im Westen fassen. Das gilt auch für seine kompositorische Arbeit. Selbst die Veröffentlichung seines Opus Magnum im Jahre 1966 erlebte er nicht mehr.Die „Balinese Ceremonial Music“ ist letztlich keine authentische Klavierkomposition, sondern eine notengetreue Transkription balinesischer Gamelanmusik. McPhee versucht dabei, die gliedernden Schläge des großen Gongs mit bestimmten Klavierakkorden nachzuahmen. Natürlich ist die verwendete wohltemperierte Skala nur annähernd entsprechend den beiden balinesischen, die auf völlig anderen Prinzipien beruhen. Man mag solch ein Verfahren grundsätzlich in Frage stellen. Es ist jedoch interessant, dass die Balinesen ihre Musik sofort wiedererkennen und akzeptieren. Kritisiert wurde in der Regel nur der etwas starre Klang der Klaviere!


Lou Harrisons „Suite for Solo Violin, Solo-Piano and Small Orchestra“ zählt zu den typischen Werken des Komponisten, bei denen er versucht hatte, verschiedene kulturelle Einflüsse zu integrieren. Harrison vertritt die Überzeugung, dass jede Musikkultur, jede musikalische Sprache neben ihrer lokalen Kontextualität und Semantik auch eine darüber hinausweisende, transzendierende Komponente beinhaltet. Diese Gehaltsebene ermöglicht es ihm, sich damit kreativ auseinanderzusetzen. Harrisons kosmopolitische Denk- und Verhaltensweise spiegelt sich in nahezu allen seinen Werken, wobei ihn vor allem Aspekte der Melodik und Ausdrucksmöglichkeiten verschiedener Tonskalen interessierten.Die „Suite“ vereint alle diese typischen Eigenschaften. Auf den ersten Blick erscheint die Partitur relativ einfach: scheinbar einfache Rhythmen, modale Skalen und in der Regel eine instrumentale Mittellage. Auffallend ist merkwürdige Instrumentation, wie die Verwendung eines Tack-Pianos (Klavier mit Reisnägeln in den Hämmern). Und an diesem Punkt kommt man der Ästhetik Harrisons näher. Den Part des Tack-Pianos beispielsweise mit einem Cembalo zu besetzen, würde komplett scheitern. Offensichtlich hatte der Komponist eine sehr genaue Vorstellung des gewünschten Timbres des gesamten Werks, das nur durch diese eigenwillige Zusammenstellung erreicht werden kann. Bei genauerer Beschäftigung fällt zudem auf, dass verschobene Phrasen und kleinste rhythmische Veränderungen einen erstaunlichen Reichtum an Nuancen entwickeln. Und plötzlich erkennt man ein filigranes und äußerst sensuelles Stück Musik, das einerseits eine magische, andererseits aber auch eine kontrolliert verspielte Atmosphäre vorweist. Genau hierin liegt die Stärke Harrisons. Vor allem die beiden Satzbezeichnungen „First & Second Gamelan“ verweisen auf den indonesischen Bezug.


„Ji – Lala – Ji“ wurde 1989 für Olaf Tzschoppe (Perkussion) und Frauke Schnabel (Flöte) anlässlich eines Deutschlandaufenthalts von Slamet A. Sjukur komponiert. Das auf den ersten Blick einfache Werk lässt sich analytisch nicht leicht fassen, sowohl hinsichtlich des Bezugs zum zugrunde liegenden Volkslied „Jali-Jali“ als auch bezüglich der Art und Weise des Verhältnisses der Instrumente zueinander.Auffallend ist, dass beide Instrumente bis auf die jeweiligen Scharnierstellen nicht zusammen musizieren. Erst am Ende überlagern sich Piccoloflöte und Bongos im Rahmen des komponierten Ausblendvorgangs. Aber auch an dieser Stelle ist außer der klanglichen Verwandtschaft kein bestimmter Bezug vorhanden, sondern mehr oder minder voneinander unabhängiges Musizieren. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass dem Stück eine perkussive Charakteristik zugrunde liegt. Tonhöhenstrukturen haben allenfalls assoziativen, letztlich aber klanglichen Charakter, der sich in vielen Fällen den Perkussionsklängen annähert, ebenso wie diese mit ihren Klanghöhenunterschieden teilweise bewusst »melodisch«. eingesetzt werden. Vor allem die umfassenden Sonderspielweisen auf den Flöten implizieren eine Ambiguität, die man, um einen Stücktitel Lachenmanns zu zitieren, mit „Schwankungen am Rande“ gut charakterisieren könnte. Verständlich, dass Interpreten, die sich vor allem als möglichst präzise Realisierende eines Notentextes empfinden, sich mit der offenen Notation und solch einer Konzeption schwer tun. Letztlich könnte man sich dem Werk auch vom Titel her annähern, der nichts anderes als eine Permutation der Buchstaben des Titels des Volkslieds darstellt. Ähnliches hat Sjukur mit den Melodietönen und den rhythmischen Gestalten gemacht.


„Taro“ von Dieter Mack basiert auf einer Art Kernmelodie, die durch eine rhythmische Textur kontrapunktiert und durch verschiedene Akzentebenen gegliedert wird. Die teilweise „minimalistischen“ Interaktionen zwischen den Musikern werden zum Beispiel durch das Unisonospiel der beiden Pianisten bewerkstelligt, bei einer Textur, die auch von einem Spieler bewältigt werden könnte. Dies jedoch würde die kompositorische Idee und den damit intendierten Ausdruck zerstören. Eine andere Interaktion besteht zum Beispiel zwischen dem Schlagzeugpart und den Klavieren. Bei bestimmten Phasen bestimmt das timing der Pianisten den Schlagzeugpart, während besonders bei den lang ausgehaltenen Tönen die Textur des Schlagzeugs für die Pianisten bestimmend ist. Diese und andere Formen der Interaktion sind nicht zuletzt das Ergebnis von Macks praktischen Erfahrungen mit balinesischer und sundanesischer Gamelanmusik. „Taro“ ist deswegen keine Imitation einer Musiksprache einer anderen Kultur, sondern vielmehr der Versuch, ein anderes Musizierkonzept im Rahmen der eigenen, der westlichen Tradition verpflichteten Musiksprache zu realisieren.


Im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen, die unterstützt werden durch die Stiftung deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB).