Workshops, Hörstück

#Feralizing: Tag 3

Sa 11.6.2022
Warschau und online
9.30h
Eintritt frei, mit Anmeldung

Anmeldung ab sofort möglich

Sebastian Münster, Edition von 1570 der Karte der Meeresungeheuer

Verwildern kann nur was zunächst vom Menschen domestiziert wurde, dann jedoch außer Kontrolle geriet und nicht mehr zu bezähmen war. Das Wilde kann chaotisch sein und unbändig, ein unreines Areal zwischen natürlich und künstlich, Technologie und Imagination, Wissenschaft und Kunst. Menschen und nichtmenschliche Tiere, Ökologien, Effekte und Prozesse, aber auch Theorien können in diesem Sinn verwildern. Alle diejenigen, die sich nicht in einer desolaten Lage befinden, werden sich wohl kaum für den Zustand dieser Wildnis entscheiden. Denn er ist oft von Gewalt, Isolation und Unsicherheit geprägt. Aber ist die politische, ökologische und soziale Gegenwart nicht weitgehend in einem desolaten Zustand? Für diese Ausgabe der New Alphabet School versammeln sich moderne Hexen, Künstler*innen, Stadtgärtner*innen, Geschichtenerzähler*innen und Ausreißer*innen. Sie erkunden diese multidimensionalen Räume in Vorträgen und Workshops, um herauszufinden, wie sich wilde Kartografien als befreiende Wirrungen ansprechen, erschaffen und nutzen lassen. Lässt sich eine wilde Spiritualität praktizieren, obwohl Verbindungen zu bestimmten Traditionen verloren sind? Wie über wilde Dinge sprechen, wenn sie nicht Teil etablierter Kategorien sind? Können die eigenen Gedanken verwildern?

Kuratiert in Kooperation mit Agata Kowalewska und Jacob Eriksen

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Samstag, 11.6.

9.30h
Im Auge des Sturms
Hörstück im Goethe-Institut Warschau und Q&A mit AM Kanngieser (per Video), moderiert von Jacob Eriksen
Auf Englisch

Im Jahr 2016 traf der Zyklon Winston, ein tropischer Wirbelsturm der Kategorie 5 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h, auf die Fidschi-Inseln. Er erzeugte Wellen, die teilweise über 12 Meter hoch waren. Das Hörstück Im Auge des Sturms vereint Erzählungen über Fürsorge und Liebe, Selbstbestimmung, ökologische Erneuerung und das Erbe des Kolonialismus, die alle Teil der Aufarbeitung von Auswirkungen und Folgen dieses tropischen Wirbelsturms sind. Am 20. Februar gegen 18:30 Uhr Ortszeit traf der Sturm auf die Hauptinsel Viti Levu. Hunderttausende mussten fliehen, die Strom- und Wasserversorgung und die Kommunikationsverbindungen brachen zusammen, viele Menschen verloren ihr Leben und ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Schätzungsweise 350.000 Menschen waren von den Folgen des Sturmes stark betroffen. Das Hörstück verwebt Lyrik und Prosa mit Tonaufnahmen aus Fidschi und Klangkompositionen und stellt die Worte und Stimmen von vier fidschianischen Dichter*innen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen in den Mittelpunkt, um eine Erzählung zu schaffen, in der die Zeit angesichts der Klimakatastrophe bedeutungslos wird. Mit Gedichten von Krystelle Lavaki, Atueta Rabuka, Amelia Rigsby und Peter Sipeli.

11–13.30h
Workshop im Goethe-Institut Warschau, mit Anmeldung
Entfesselte Klänge
Mit Paula Montecinos Oliva
Auf Englisch

Welche Art von Bewegung entsteht, wenn Klang zu Hitze und Energie wird und sich im Körper in Feedbackschleifen wiederholt und verstärkt? Entfesselte Klänge ist ein Raum für das Noch-nicht-Benannte und den Körper, der sich weigert, sich einfangen zu lassen. Der Workshop lädt die Teilnehmenden dazu ein, den eigenen Körper als Klangkörper zu erforschen und auf die Leerstellen und Verbindungen zwischen Materie und Energie zu horchen, die sich durch Relationalität und Wechselwirkung verändern. Die Teilnehmenden sind zu einer kollaborativen Aktion eingeladen, während derer sie sich mit und in ihrem Körper als Resonanzraum bewegen. Sie aktivieren Bewegung, um sich auf halbem Weg zwischen gebrochenen Geschichten, fragmentierten Tänzen, halb gesprochenen Worten und halb geschrienen Lautäußerungen zu begegnen. Sie können spielen, improvisieren und transformative Prozesse und nicht-hierarchische Gleichzeitigkeit in Gang setzen.

11–14h
Online-Workshop, mit Anmeldung
Die Erfahrung von Schmerz im Gefängnis der Verwilderung
Mit Saleh KY AbuShamala und Rawand A. Hilles
Auf Englisch

Zwischen Alltag, großen Träumen und grenzenlosen Ambitionen: Das Dasein der palästinensischen Jugendlichen, vor allem im Gazastreifen, kann zum Teil als verwildert bezeichnet werden. Die Belagerung des Gazastreifens konnte die Vernunft nicht ausschalten und das Wissen nicht auslöschen, aber sie hat zu komplexen sozialen Dilemmata geführt, Grenzen gesetzt, den Zugang zu Quellen abgeschnitten und Fähigkeiten eingeschränkt, die zum Aufbau einer echten Heimat für die Palästinenser*innen notwendig gewesen wären. Dieser forschungsbasierte Workshop wird sich mit der Anthropologie des Schmerzes der Palästinenser*innen befassen. Mit welchen Formen der Brutalität sind sie konfrontiert und wie wirkt sich dies auf ihre kognitiven Prozesse aus? Was kann getan werden, um sie von der Belagerung ihres Wissens zu befreien?

14.30–17.30h
Workshop im Goethe-Institut Warschau, mit Anmeldung
Newen Mapuche. Wilde Spiritualität als Widerstand
Mit Greta Di Girolamo und Consuelo Terra
Auf Englisch

Kann eine nicht-hegemoniale Spiritualität die Fantasie im Widerstand gegen den neokolonialen Kapitalismus beflügeln? Seit 500 Jahren rebelliert das indigene Volk der Mapuche gegen die Inkas, die Spanier, den chilenischen Staat und transnationale Unternehmen. Die Spiritualität der Mapuche und ihre Machi sind der Schlüssel zu ihrem Widerstand. Im Rahmen des Workshops werden die Teilnehmenden den Comic von Greta Di Girolamo und Consuelo Terra über Millaray Huichalaf lesen, eine Machi, die den heiligen Fluss Pilmaiquen gegen Wasserkraftprojekte verteidigt. Vor dem Hintergrund von Kriegen, Klima- und Gesundheitskrisen werden sie sich mit Konzepten wie „Itrofill mongen“ (ein großes Leben, das sich aus vielen voneinander abhängigen Leben zusammensetzt), den „Ngen“ (Naturgeistern) und der „Newen“ (Kraft) auseinandersetzen, um natürlich-spirituelle Ökosysteme zu schützen. Mit Hilfe verschiedener Techniken werden die Teilnehmenden ihre eigenen Ökosysteme kartieren und sie später in ein größeres kollektives Ökosystem einordnen, um Wechselwirkungen zu erkennen. Welches sind die Orte, Rituale und Wesen, die ihnen Kraft geben? Kann die Rückbesinnung darauf, dass die Menschen Teil der wilden Natur sind und alles mit allem in Verbindung steht, helfen, eine gespaltene Welt zu heilen?

18–21h
Workshop in Jazdów, Warschau, mit Anmeldung
Safe Spaces definieren am Beispiel des Feierns
Mit Aparecida Arguello, Ivy Ashleigh Da Gorriti, Liv Furga und Tomasz Szczepanek
Auf Englisch

Es gibt ein Recht darauf, zu tanzen, Spaß zu haben und sich ungehemmt auszutoben, ohne Angst, angegriffen zu werden, keinen Zutritt zu erhalten oder gewaltsamen Normen entsprechen zu müssen. Dieser Workshop richtet sich an Community-Organisator*innen, Raumverantwortliche, Veranstalter*innen und Mitglieder der queeren Community und ist ein Ort für Austausch, gemeinsames Nachdenken und die Diskussion über Verbesserungen sogenannter Safe Spaces. Dieses Konzept ist in Graswurzelbewegungen mittlerweile weit verbreitet, könnte aber auch in anderen Bereichen Anwendung finden und ein Vorbild für bessere soziale Strukturen sein. Auf der Suche nach den Wurzeln des Konzepts sollten die Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen, bewährten Strategien und Bedenken einbringen. Das Feiern wird als Metapher verwendet, um Fragen der Verantwortlichkeit und des Zusammenlebens zu erörtern, mit dem Auftrag, einen funktionierenden Prototyp zu entwickeln, der später bei einer offenen Veranstaltung mit den Menschen vor Ort in die Praxis umgesetzt werden kann.

21–24h
Sonic Adventures of Themsel in Distress
Mit Liv Furga und Tomasz Szczepanek

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