Konferenz: Liebe und Ethnologie

Mit Renée Green, Cristóbal Lehyt, Musa Michelle Mattiuzzi, Mario Navarro, Lili Reynaud-Dewar u. a.

Fr 18.10.2019
Vortragssaal
17h
Ein Tag 5€/3€
Beide Tage inkl. Ausstellung 8€/5€
Isaac Julien, Videostill aus: This is not an AIDS Advertisement, 1989, © Isaac Julien, courtesy of the artist and Victoria Miro, London/Venice

Hubert Fichte strebte in Schreiben und Leben nach einer spezifischen Art der Offenheit. Welche Körper, Institutionen und Erzählungen ermöglichen diese Öffnung? Internationale Autor*innen, Künstler*innen und Kurator*innen diskutieren Export und Appropriation, Trance und Wissen, Ethnologie und ästhetischen Kolonialismus – begleitet von Hubert Fichtes und Leonore Maus Fotofilmen, u. a. Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters (1966) und Zwei mal 45 Bilder/Sätze über Agadir (1971).

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17h
Begrüßung und Einführung
Mit Diedrich Diederichsen und Anselm Franke
Auf Englisch

Die Spanische Treppe
R: Hubert Fichte/Leonore Mau, DE 1970, 10 min, OmE
Film

17.30h
Import/Export: „Keine ästhetische Theorie, aber eine ästhetische Praxis“
Mit Renée Green, Cristóbal Lehyt, Musa Michelle Mattiuzzi, Mario Navarro, Lili Reynaud-Dewar
Gespräch moderiert von Anselm Franke und Diedrich Diederichsen
Auf Englisch und Portugiesisch mit Simultanübersetzung ins Englische

Was bedeutet es, als Künstler*in an einem Projekt mitzuwirken, in dem es um Austausch geht, um Import und Export, um die Verheerungen kolonialer Extraktion, aber auch um Übersetzung, Rekonstruktion vergangener und Konstruktion aktueller Situationen, um Asymmetrie und Missverständnisse, aber auch um Streetsmartness, Weltläufigkeit, Überwindung der Provinz, Internationalismus? Denn alles beginnt mit dem Lesen von und Reagieren auf Texte mit Medien, Techniken, Mitteln, die meist nur am Rande solche der Sprache sind. Was bedeutet es für Künstler*innen, generell zu respondieren in einer Kultur- und Kunstwelt, in der immer noch die Einflussangst herrscht und Originalität normativ ist; was aber bedeutet auch die Zuschreibung von Originalität und Ursprünglichkeit, in mehr als einem Sinne, der Künstler*innen vor allem dann ausgesetzt sind, wenn sie nicht in den westlichen Metropolen arbeiten?

Renée Green schlägt in ihrer Präsentation eine Brücke zwischen ihrem künstlerischen Beitrag zur Ausstellung Liebe und Ethnologie – die koloniale Dialektik der Empfindlichkeit (nach Hubert Fichte) und ihrem Textbeitrag zur Begleitpublikation.

Cristóbal Lehyt kommentiert seinen Beitrag wie folgt: „Teil von Fichte werden: mit Zeichnungen, Erinnerungen und Projektionen. Um sich der Distanz bewusst zu werden – und sie zu verringern.“

Musa Michelle Mattiuzzi präsentiert das erste eines größeren, im Entstehen begriffenen Projekts, das darauf abzielt, die Ästhetik der Kolonie zu problematisieren. In „Kapitel 1: Studien über Gewalt“ unternimmt die Künstler*in den Versuch, über ihre Arbeit der letzten zwölf Jahre nachzudenken. Dabei entwickelt sie eine Poetik des Körpers im Transit und skizziert zudem, auf welche Weise diese Studien im politischen Kontext Brasiliens durchgeführt werden könnten.

Mario Navarro befasst sich mit einer Reihe kritischer Betrachtungen des historischen Moments, in dem Hubert Fichte 1971 Chile besuchte. Die Achsen von Navarros Untersuchung bilden die von ihm in Santiago de Chile kuratierte Ausstellung Suprasensibilidades (2018) wie auch die letzten Zeilen von Fichtes Text Chile: Experimento por el futuro (Chile: Experiment auf die Zukunft, 1971): „Ich habe neue, sehr komplizierte Strukturen der Sensibilität kennen gelernt.“

Lili Reynaud-Dewars erste Begegnung mit Hubert Fichte stellt sein langes Interview mit Jean Genet dar, und ihr ist daran gelegen, sich von dieser Ausgangbasis nicht zu weit zu entfernen. Ausgehend von einer ungefähren Übersetzung von Fichtes Text Jeder kann der nächste sein (in dem Genet ebenfalls sehr präsent ist) über den Tod des Dichters und Filmemachers Pier Paolo Pasolini und seinen letzten Film Salò (dt.: Die 120 Tage von Sodom) erörtert Lili Reynaud-Dewar die vom Text betriebene Vermischung zwischen Nekrolog und Filmkritik als einen Vorgang, der sie auf ominöse Weise interessiert.

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