Lecture-Performance, Lecture

Das Nationalstaatensystem

Mit Ann Cotten und Hito Steyerl

Sa 25.3.2017
Auditorium
21–22.30h
Tagesticket: 9€/6€ | Abendticket (17–23h): 6€/4€
Mit Simultanübersetzung deutsch-englisch

Hito Steyerl
„Gott ist doof“. On Artificial Stupidity
Eines der Monster, das in jüngster Zeit im Dunstkreis künstlicher Intelligenz (AI) erschaffen wurde, ist Roko’s Basilisk, ein Gedankenexperiment: Würdest du dabei mithelfen, superintelligente AI zu entwickeln, ja oder nein? Und wenn du wüsstest, dass sie ohnehin entwickelt werden und diejenigen, die ihre Mithilfe verweigert haben, mit Folter bestrafen würde? Die Künstlerin Hito Steyerl untersucht den Hype um AI. Auf der einen Seite scheint sie die produktive Störung ökonomischer, militärischer, medizinischer und sozialer Techniken zu befördern und verspricht eine nie dagewesene Effizienz, eine wissenschaftliche Lösung aller Probleme. Auf der anderen Seite steht gerade die Wissenschaft unter Beschuss: Institutionalisierte Religionen einerseits und ausbeuterische Unternehmen mit ihren politischen Handlangern andererseits haben sich zum Angriff auf die Geisteswissenschaften und die Klima- und Evolutionsforschung formiert. Roko’s Basilisk steht für eine Zukunft, in der Nationalstaaten kläglich scheitern und an ihre Stelle eine Vielzahl konkurrierender Unternehmen tritt – jedes für sich ein Staat im Staat. Was, wenn dieses System außer Kontrolle gerät?

Ann Cotten
Utopie als Knoten in der Zunge
Nicht nur beim Sprechen, sondern auch in der Realität ist das geforderte Menschenbild oft das Kleid, an dem sich der ertrinkende Staat erhängt. Wird Strenge besser durch Ästhetik, Stimmung und Gruppenzwang als durch Gesetze, Drohungen und Bestimmungen geregelt? Um vergleichen zu können, sucht die Schriftstellerin Ann Cotten nach Ästhetiken, die ungeschriebene ethische Kodices jenseits von Nation transportieren. Ein Vergleich von real existierenden subkulturellen "Tribes" sowie funktionierenden Alternativgesellschaften, samt all ihren Krankheiten, mit utopischen Entwürfen zeigt einen klaffenden Abgrund, der auch mit kolonialistischen, "weißen" Denkmustern zu tun hat. "Man sollte" steht Ordnungen gegenüber, die das zivilisierte Leben in dysfunktionalen Realitäten ermöglichen und gestalten (we've gotta). Die große Bewegung des Afrofuturismus soll den Weg weisen - wenn ich sie überhaupt lesen kann.