Rox Lee: Blue Man in Corner, © Rox Lee, courtesy Rox Lee and Yuji de Torres

Rox Lee

Roque Federizon (genannt Rox) Lee wurde 1950 als drittes von sechs Kindern eines kantonesischen Einwanderers und einer Angehörigen der Bikol-Minderheit in Naga City, Philippinen, geboren. Seine jungen Jahre verbrachte er mit Gelegenheitsarbeiten, unter anderem als Zeitungs- und Zeitschriftenverkäufer, Hotelpage und Aushilfe im Laden seiner Eltern. Nach einem Studium generale an der Ateneo de Naga University zog er 1978 nach Manila, um an der Staatlichen Universität Architektur zu studieren. Nach einem Jahr hatte er genug vom Zeichnen gerader Linien und wurde freier Mitarbeiter beim Musikmagazin Jingle, dem philippinischen Rolling Stone. Zu den Jingle-Größen gehörten damals etliche bedeutende Musiker, Künstler, Filmemacher und Autoren wie Lav Diaz, Joey Ayala, Eric Gamalinda, Dante Perez und Cesare Syjuco. Rox Lee lieferte Texte und Zeichnungen und erfand die Comic-Kultfigur Cesar Asar, Held einer später auch in der großen Tageszeitung Manila Bulletin erscheinenden Comicserie. Er zeichnete diese Comics von 1980 bis 2000, manchmal auch gemeinsam mit seinem Bruder, einem Bankangestellten und hoffnungsvollen Standup Comedian. Nebenbei war er für Punk- und Underground-Magazine wie Red Racket (1988–1990) tätig, deren Macher später das wegbereitende Klang- und Medienkunstkollektiv Children of Cathode Ray gründeten.

Seit Ende der 1970er Jahre veranstalteten die Universität der Philippinen und das Mowelfund Film Institute regelmäßig Filmseminare, an denen sich später auch das Goethe-Institut in Manila beteiligte. Auf der Suche nach einem Ventil für seine zunehmende Frustration über den Zustand der Gesellschaft nahm Rox Lee an diesen Workshops teil und arbeitete hier mit Dozenten wie Christoph Janetzko und Harun Farocki. 1983 schrieb er im Rahmen eines Super-8-Filmworkshops das Drehbuch für Tronong Puti (Weißer Thron), einen Film von Ted Arago, in dem eine Toilettenschüssel kultisch verehrt wird – Rox Lee war überzeugt, dass die Toilette weitaus nützlicher für die Menschheit ist als die Atombombe. Sein erster eigener Film war The Great Smoke (1984), eine beißende Satire über die drohende atomare Verwüstung. Sie entstand in einer Garage mit der Kamera auf einem Stativ und den Kunstwerken auf einem Stuhl. Der Film schöpfte aus der ganzen Fülle von Rox Lees künstlerischer Arbeit, einschließlich gefundenen Filmmaterials, Collagen und Trickzeichnungen.

Ökologische und gesellschaftspolitische Themen prägten weiterhin seine Arbeit. ABCD (1985) entstand in kurzer Zeit als Beitrag für einen Experimentalfilmwettbewerb und war ein Kompendium seiner technischen Ausdrucksvielfalt ebenso wie seiner Sensibilität im Hinblick auf Umweltzerstörung, Verstädterung und Missachtung der Menschenrechte. 1987 drehte er in einem von Birger Bustorff geleiteten Workshop mit Yeye Calderon, At Maculangan und Joey Ayala den Film Juan Gapang (Johnny Crawl), zugleich Performance-Projekt und städtische Intervention: Ein langhaariger, weiß angemalter Mann kriecht darin durch den berüchtigten Verkehr von Manila vom Mowelfund bis zur Hafenmole hinter dem Manila Film Center.

Seit Gründung des Yamaga International Documentary Film Festival 1989 besuchte Rox Lee regelmäßig Japan und lebte 1993/94 dank eines Stipendiums in Tokyo. Retrospektiven seines filmischen Werks waren bisher in Japan, Deutschland, Hongkong und den Philippinen zu sehen. Rox Lee, der mehrere Generationen von Kunstschaffenden im Film, in der freien Kunst und der experimentellen Medienkunst inspiriert und gefördert hat, ist bis heute künstlerisch aktiv.

Merv Espina