Technosphere

Forschungsprojekt 2015–2019

Was passiert, wenn das Technische mit dem Natürlichen um die Gestalt der Welt konkurriert? Wie lässt sich dieses neue Geflecht, das in seinen globalen Auswirkungen, seiner Skalierung und systemischen Funktion mit der Atmosphäre und der Biosphäre gleichzusetzen ist, verstehen und beschreiben? Wie lässt sich darin leben und handeln?

Ursprünglich eingeführt wurde die Technosphäre in den Geowissenschaften, um die technische Mobilisierung und Hybridisierung von Energien, Materialien und Umwelten im planetaren Maßstab zu beschreiben. Als konzeptuelle Figur und Entwurf bietet die Technosphäre Möglichkeiten des Begreifens unserer Gegenwart: Wie ist sie zu dem geworden, was sie ist? Wie hat sie sich installiert, als Hard- und Software, als technische, soziale und rechtliche Infrastruktur? Worin liegen ihre kritischen Störungen und welches Potenzial für Veränderung besitzt sie? Die Technosphäre ermöglicht, die Allgegenwart technischer Systeme kritisch zu untersuchen, deren oftmals unbeabsichtigte Konsequenzen und interne Dynamiken sich zu einer quasi-autonomen globalen Kraft verdichtet haben. Denn obwohl die Technikabhängigkeit gegenwärtiger menschlicher wie nicht-menschlicher Existenz intuitiv erfahrbar ist – als Bedrohung wie als Bereicherung –, herrscht weitgehend Unklarheit über die gesellschaftlichen Herausforderungen, die sich daraus ergeben. Deren Beschreibung und Untersuchung erfordert nicht nur weitere Forschungen in den Natur- und Kulturwissenschaften, sondern ergibt auch neue Schnittmengen unterschiedlicher Themenfelder wie Ästhetik, Finanzmärkte, Stoffströme, Migration oder Kolonialismus.

Von 2015 bis 2019 brachte Technosphere Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und das Publikum miteinander ins Gespräch: Wie ist diese ungreifbare Technosphäre zu erfassen? Welche strategisch geplanten oder auch nicht-intendierten Konstellationen sind hier miteinander verknüpft und lassen weltformende techno-soziale „Apparaturen“ entstehen? Und wie lassen sich alternative Handlungsweisen und politische Strategien entwickeln, die der gegenwärtigen Verschichtung von Erde, Technologie und Leben angemessen sind?

In vier Stationen gaben Akteure aus Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft Auskunft darüber, wie sich das 20. Jahrhundert zu einer Endlosschleife von Welt und planetarischen Technologien verwickelte, in der sich die Trennung von Ursache und Wirkung, Lokalem und Globalem, Menschlichem und Nicht-Menschlichem ununterbrochen verwischen. Fragen nach der Operativität planetarer Apparaturen und ihrer alltäglichen Wirkweisen erkundete The Technosphere, Now. Im Anschluss analysierte Technosphärenwissen die Technizität gegenwärtiger Praktiken der Wissensproduktion und ihrer Ordnungen. Die dritte Projektphase blickte mit 1948 Unbound auf einen entscheidenden historischen Moment, in dem sich rasche technologische, wirtschaftliche, industrielle und politische Veränderungen miteinander verwoben und die Entfesselung der Technosphäre angestoßen haben. Die vierte und abschließende Phase nahm die Technosphäre als einen Horizont in den Blick, vor dem neue Lebensformen und neue Netzwerke zwischen den Daseinsweisen entstehen.

Abschließend versammelt die Technosphere-Ausgabe der HKW-Publikationsreihe Bibliothek 100 Jahre Gegenwart soziologische, philosophische, literarische, humangeographische und weitere Perspektiven auf die Technosphäre und in deutschsprachigen Essays und Erkundungen.