Isaac Rosenberg (1890-1918): „Tagesanbruch in den Schützengräben“ (Juni 1916, an der Somme)

Die Dunkelheit krümelt weg.
Immer dieselbe alte Stunde der Druiden.
Da springt was über meine Hand, das lebt,
Verquer, sardonisch, eine Ratte.
Grad als ich von der Brustwehr Mohn pflück
Um ihn mir hinters Ohr zu stecken.
Drollige Ratte, erschießen würden sie dich, wüßten sie
Wie du im Grund kosmopolitisch bist.
Nun hast du diese Britenhand berührt
Und wirst das gleiche tun mit einer deutschen –
Bald, zweifellos, wenns dir beliebt
Das stille Grün dazwischen zu durchqueren.
Sieht aus, als ob du grinst, wenn du vorbeiläufst
An starken Augen, edlen Gliedern, prächtigen Athleten;
Fürs Leben nicht so gut gemacht wie du,
Sondern verpfändet launenhaftem Mord,
Rekeln sie sich jetzt im Gedärm der Erde,
In den zerrißnen Feldern Frankreichs.
Was siehst du denn in unsern Augen
Bei schrillem Eisenklang und Feuer
Geschleudert durch die stillen Himmel?
Welch Zittern – welch entsetztes Herz?
Mohnblumen, die in Menschenadern wurzeln,
Fallen, und werden weiter fallen;
Doch meine hinterm Ohr ist sicher –Nur ein bißchen weiß vom Staub.

Übersetzung: J. Utz

Quelle: Englische Dichtung von R. Browning bis Heany. Hrsg. Von Horst Meller und Klaus Reichert. C.H. Beck, München 2000.