22.8.–19.10.2007

nomadic new york

Kurator: André Lepecki

Performanceprogramm

Diese Serie neuer Performancekunst zeigt Mikroinszenierungen eines anderen New Yorks. Dem Klischee vom rastlosen Moloch Manhattan wird eine Metropole der vielen kleinen Städte und Zwischenräume entgegengesetzt, die ihren eigenen Fluss, eigene Motive und Sensibilitäten behaupten. Hier finden Flüchtiges, Fragmentarisches und Vergängliches Beachtung: Performancekunst, die sich dem Spektakulären verweigert und die politisch ist, indem sie temporäre Kollektive bildet, Räume umwidmet und Zeit entschleunigt.


Die 23 New Yorker KünstlerInnen, die einzeln oder in Kollektiven in „nomadic new york“ mitwirken, setzen ihr Programm in Berlin ganz unterschiedlich in Szene: Sie inszenieren oder improvisieren, multimedial oder unmittelbar, in Installationen, Rezitationen oder Tänzen, im und beim Haus der Kulturen der Welt und in Einkaufszentren, Wohnzimmern und Galerien. Ihre Kunst sucht dabei stets die Nähe zum Betrachter, lebt vom Moment und macht den kleinsten Raum zu einem öffentlichen und den öffentlichen zur Bühne.

"Darf ich in Ihrem Wohnzimmer ein Tanzstück aufführen?" fragt Edisa Week und erkundet auf diese Weise eine Psychogeografie der Stadt. Reverend Billy zelebriert in Konsumtempeln offene Gottesdienste der Church of Stop Shopping Now. Koosil-ja lässt den Zufall entscheiden, nach welchen Videobildern sie tanzt. AIDS-Aktivistin Julie Tolentino fordert mit verbundenen Augen zum Tanz mit ihr auf - in einem winzigen gläsernen Ballraum, 24 Stunden lang. Matthew Seidman setzt Notizen über Eindrücke und Gedanken eines New Yorkers in Berlin in Szene. Vlatka Horvat lässt Stühle als Akteure ihrer Performance wirken und erschließt damit unter bewusstem oder unbewusstem Einfluss des Publikums die Grundlagen für Partizipation im sozialen Raum. Ricardo Dominguez erstellt anhand der Information über Geruchspartikel der Besucher eine Kartographie ökonomischer Aktivitäten mit den Mitteln der Nanotechnologie.

Als „Kunst im Modus des Minderen, Kleinen“ bezeichnet Kurator André Lepecki die ausgewählten Arbeiten, abgeleitet von Deleuzes Begriff der „littérature mineure“. Gemeint ist eine Kunst, die sich gegen Festlegung und Beharren wendet und stattdessen erlaubt, „die Ortung in New York als ein Projekt des ständigen Nomadentums zu begreifen – die Stadt als ein Gebiet, das die Künstlerinnen und Künstler durch ihr Kommen und Gehen immer wieder neu erfinden, bestimmen und beleben“.

Performance streift alle Genres, von Tanz bis Live-Installation, von Poesie bis Agitprop, und hat sich vor allem in New York als interaktiv in Szene gesetzte Grenzüberschreitung zwischen Kunst und Leben herausgebildet. Die Zuschauer, die sich auf die Bilder, Gedanken, Klänge, Sprachen und Handlungen wie auf ein inneres nomadisches Mäandern einlassen, werden entdecken, dass die Performance-Künstler mit ihrem Humor und ihrer Energie eine uns allen gemeinsame Geschichte vom heutigen Leben in westlichen Städten erzählen. So wird nicht nur New York künstlerisch neu vermessen, sondern über diesen künstlerischen Umweg auch Berlin.

Die teilnehmenden Künstler sind: Reverend Billy und die Church of Stop Shopping Now, Edisa Weeks / Delirious Dance, Julie Tolentino, Koosil-ja / dance KUMIKO, Vlatka Horvat, Chase Granoff und Jon Moniaci, Matthew Seidman, Ricardo Dominguez und Diane Ludin, William Pope L.