Mei Lanfang: Ein symphonisches Drama der Peking-Oper

Mei Lanfang, Copyright: Promo

Veranstaltungsinformationen: Aufführungen am 26. und 27. April 2006, Komische Oper Berlin

Die Inszenierung „Mei Lanfang“ ist ein Novum - zum einen wegen des Inhalts und der Titelfigur, die sich auch in der musikalischen Form der Oper abbildet, zum andern wegen der Kooperation mit einer der profilierten Kulturinstitutionen Chinas: Die Inszenierung setzt sich mit einer geradezu legendären Gestalt auseinander. Mei Lanfang ist in ganz China eine Ikone chinesischer Operntradition und Hochkultur, kaum ein Chinese kennt seinen Namen nicht. Die Komposition von Zhu Shaoyu greift auf die traditionelle Orchestrierung der Peking-Oper zurück, kombiniert diese aber mit westlichem Orchester und Chor.

Das Beijing Jingju Theatre unter der Leitung von Wang Yuzhen, mit dem diese Kooperation zustande kam, ist Chinas größtes und traditionsreichstes Peking-Oper-Ensemble mit 700 Mitarbeitern, im ganzen Land bekannten Star-Performern und einem Repertoire, das rund 300 Stücke umfasst - sie gastiert erstmals mit einer Inszenierung in Europa. Und die chinesisch-westliche Begegnung geht weiter: Musiker und Chorsolisten der Komischen Oper werden die Partitur einstudieren, und in den Orchesterproben und zu den Aufführungen zusammen mit zehn chinesischen Instrumentalisten spielen.

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Die Themen Tradition, Überlieferung und Erneuerung spiegeln sich nicht nur in der Person Mei Lanfangs, die Inszenierung selbst ist ein viel diskutiertes Beispiel für die Übersetzung traditioneller Formen in eine moderne, zeitgenössische Sprache. Diese Kontextualisierung sowie weitere Informationen zu dem Stück und der Titelfigur werden in Einführungsveranstaltungen und einem Publikumsgespräch vermittelt.Indem das Stück vom Leben und den berühmten Rollen Mei Lanfangs handelt, reflektiert es die Geschichte Chinas, vor allem zur Zeit der Besetzung durch Japan. 1894 in eine berühmte Operndarstellerfamilie geboren, stand Mei bereits im Alter von zwölf Jahren zum ersten Mal auf der Bühne. Dabei war er spezialisiert auf die Darstellung weiblicher Figuren mit einem Spektrum von zarten Mädchen bis zu wilden Kriegerinnen. Aber Mei Lanfang ist nicht nur einer der bedeutendsten Darsteller der Peking-Oper, sondern auch deren Erneuerer: Er integrierte alte Tanz- und Pantomimetraditionen in sein Spiel, führte Opern in neu entworfenen Kostümen zu aktuellen Themen auf, änderte die traditionelle Instrumentierung und begründete zudem eine eigene Ausbildungsstätte der Peking-Oper.

Mei war es auch, der dieses Musiktheater im Ausland vorstellte: in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts und nach dem Krieg führten Tourneen nach Japan, 1930 in die USA und 1935 in die Sowjetunion. Zeugnisse von Maxim Gorki, Konstantin Sergejewitsch Stanislawski und Rabindranath Tagore belegen, wie faszinierend sein Rollenspiel für Zuschauer weltweit war. Nach Ausbruch des zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges 1937 zog er sich bis Ende des Zweiten Weltkriegs aus Protest gegen die japanische Okkupation von der Bühne zurück. Im kommunistischen China bekleidete er dann politische und künstlerische Ämter und wurde Leiter des Beijing Jingju Theatre. Mei Lanfang starb 1961 an einer Herzkrankheit.

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Bertolt Brecht hat in Auseinandersetzung mit der Bühnenkunst Mei Lanfangs wichtige Aspekte seiner eigenen Theatertheorie entwickelt. 1935 sah Brecht in Moskau eine Aufführung Meis und reflektierte diese Begegnung in den Aufzeichnungen „Verfremdungseffekte in der chinesischen Schauspielkunst“. Brecht las die Kunst Meis als ein System von Zeichen und Referenzen, das eine Identifikation des Performers mit der Rolle verhindert: Nicht nur der Zuschauer, sondern auch der Darsteller sei kritischer Beobachter des Bühnengeschehens. Mei lebe nicht in der Rolle, er demonstriere sie - und werde dadurch zur Modellfigur des Brechtschen Schauspielers.

Das Beijing Jingju Theatre brachte das ‚symphonische Drama’ „Mei Lanfang“ im Mai 2004 zur Ehrung ihres ehemaligen Direktors und zur Feier des 110. Geburtstag dieser Opernlegende zur Uraufführung. Die Inszenierung stammt von der derzeit bekanntesten Theaterregisseurin Chinas, Chen Xinyi, die selbst in der Tradition des Brechtschen Theaterbegriffs steht. Die besten Darsteller aus ganz China wirken bei der Aufführung mit, wie Yu Kuizhi in der Hauptrolle. Yu ist ein Meister der Peking-Oper-Tradition, in China bekannt wie ein Popstar.

Eine Kooperation zwischen Komischer Oper Berlin, Beijing Jingju Theatre und Haus der Kulturen der Welt. Aufgeführt in der Komischen Oper Berlin.

Komische Oper