1956: "Hall of Congresses" und INTERBAU gegen Stalinallee

Die Vision von Eleanor Dulles und Hugh Stubbins: Grundstein in Saharasand

21. März 1956, Arbeiter räumen das Baugelände an der Spree. Die Straße „In den Zelten“ ist heute verschwunden unter der Basis der Kongresshalle, Rasenfläche und Parkplatz am Bundeskanzleramt., Foto: Landesarchiv Berlin / Bert Sass, 1956

Es ist damals alles ziemlich schnell gegangen: Nach nur rund 18 Monaten von erster Idee bis zum fertigen Plan wird der Grundstein für das große Geschenk der USA an Berlin gelegt. „Amerikanisches Tempo“, wie West-Berliner Medien feststellen. Urkunden und Zeitungen des Tages – es ist der 3. Oktober - werden der Erde am Rande der „Sahara“ anvertraut. Sahara, so hieß im Berliner Volksmund Anfang des 19. Jahrhunderts ein wüstes Manövergelände dort, wo dann der Reichstag errichtet wurde. Wüst ist das Gelände im Jahre 1956 wieder: Dafür hatten der Krieg der Nazis und ihrer Deutschen gesorgt, die alliierten Bomber 1943, die verlustreichen Endkämpfe der sowjetischen Soldaten um Berlin. …

In den Sand der Fast-Sahara etwas weiter westlich werden nun 1200 Pfeiler getrieben, und der Sand aufgehäuft. Es entsteht eine erhöhte Bühne für das Symbol Kongresshalle. Denn die außergewöhnlichen Konturen des Baus sollen weithin wirken, auch im wörtlichen Sinn weit zu sehen sein. Das beflügelte Dach ist als „Leuchtfeuer der Freiheit“ gemeint, das in den SU-beherrschten Sektor Berlins hineinstrahlt, der hinter dem nahen Brandenburger Tor beginnt. So haben es der Architekt der Kongresshalle Hugh Stubbins und die „Berlin-Beauftragte“ im amerikanischen Außenministerium Eleanor Dulles zusammengefasst. Jetzt stehen die beiden bei der Grundsteinlegung zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Otto Suhr. Eine Botschaft von Präsident Eisenhower wird verlesen: die Kongresshalle sei Symbol wie Werkzeug elementarer menschlicher Werte, die es zu verteidigen gelte. Wie handfest das aussieht, hat Suhr 1948 erlebt, als kommunistische Demonstranten die Sitzung des von ihm geleiteten frei gewählten Stadtparlaments sprengten und so die Spaltung Berlins einleiteten. Und auch Eleanor Dulles hat in ihrer Arbeit im vierzonengeteilten Österreich ihre Erfahrungen mit den Machtbestrebungen Stalins gemacht.

Die Frau, die sich erst in der „Männerwissenschaft“ Ökonomie, dann auf politischem Gebiet durchzusetzen gelernt hat, ist übrigens Teil eines geschwisterlichen Dreigestirns. Ihr Bruder John Foster ist seit 1952 amerikanischer Außenminister und Bruder Allen seit 1953 CIA-Chef. Eleanor hatte schnell die Einladung zu einem amerikanischen Beitrag für die INTERBAU angenommen, die der West-Berliner Senat sich bald nach Start des großen Ost-Aufbauobjekts Stalinallee (heute: Karl-Marx-Allee) und nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 einfallen ließ. Diese Bauausstellung würde in einem neuen Hansaviertel am Rande des Tiergarten zeigen, was internationale, westliche Architektur zu leisten vermag. Als für diesen Beitrag eher abstruse Ideen wie „typisch amerikanische Küche“ und Jugendclub aufkamen, treibt Eleanor Dulles mit Hugh Stubbins stattdessen das Projekt einer „Hall of Congresses“ voran. In kurzer Zeit entwickelt der junge Architekt, der schon mit 28 Jahren Assistent von Walter Gropius an der Harvard School of Design geworden war, die Grundrisse eines Hauses der Kommunikation und die Idee des Daches: aus Skizzen zu Zelten, Flügeln, Sphären, Domen. Auf Fotografien sieht man ihn, schlaksig, lässig bei der Besichtigung des Baugeländes, im Sand der „Sahara“.
Axel Besteher-Hegenbart

Berliner Morgenpost 19.9.1957
New York Times 4.10.1956
Berliner Morgenpost 4.10.1956
Der Tagesspiegel 4.10.1956
New York Times 21.7.1957