Für die Eröffnung von Echos der Bruderländer kuratiert das Zafraan Ensemble ein Konzertprogramm, das zur Auseinandersetzung mit historischen Einschnitten, politischen Idealen und Widersprüchen einlädt. Es versammelt ein vielfältiges Spektrum an Werken von Komponist*innen aus sogenannten ‚Bruderländern‘, die zeitweise in der DDR wirkten, und solchen, die aus Deutschland stammten und öffentlich für Solidarität mit sozialistischen Ländern eintraten. Das Zafraan Ensemble präsentiert dieses Programm gemeinsam mit dem Gitarristen und Komponisten Đặng Ngọc Long sowie dem Multi-Instrumentalisten und Komponisten Regis Molina als Gastmusiker.

Programm:

Paul Dessau
Aus: Suite für Altsaxophon und Klavier (1935)
4. Satz: 3 Variationen über ein mongolisches Volkslied
4'

Reiner Bredemeyer
Aus: Triostücke 4 für Klarinette, Viola und Klavier (1985)
3. und 4. Satz
5'

Đặng Ngọc Long
Aus: Suite Kiều (2016/2021)
Prelude, Kindheit, Sturm, Wiedersehen
(Gitarre solo / Arrangement für Gitarre und Zafraan Ensemble)
10'

Leo Brouwer
Exaedros I für 6 Instrumente (1969)
10'

Ruth Zechlin
Mobiles für Harfe Solo (1978)
(Uraufführung)
6'

Klaus Renft Combo
Ketten werden knapper (1973), Chilenisches Metall (1974)
(Arrangement: Regis Molina)
7'

Paul Dessau (1894, Hamburg – 1979, Königs Wusterhausen)
Paul Dessau kehrte 1948 aus dem Exil – zunächst in Frankreich, dann in den USA, wo seine mehrjährige Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht begann – zurück nach Deutschland und ließ sich in Ostberlin nieder. Er entschied sich bewusst für die Sowjetische Besatzungszone (SBZ), die spätere DDR, in der Hoffnung, am Aufbau eines sozialistischen, demokratischen Deutschlands mitzuwirken. Dieser Idee fühlte er sich bis zu seinem Tod künstlerisch, politisch und moralisch verpflichtet, auch wenn er von Beginn an mit den kulturpolitischen Instanzen des Staates in Konflikt geriet. Dessau galt als wichtiger Wortführer in der Diskussion um den sozialistischen Realismus in der Kunst der DDR und war am Aufbau verschiedener Musikinstitutionen beteiligt. Er trat unter anderem, sowohl politisch als auch kompositorisch, für Solidarität mit Chile ein. 

Reiner Bredemeyer (1929, Vélez – 1995, Berlin)
Reiner Bredemeyer zog 1954 für ein Aufbaustudium bei Paul Dessau von München nach Ostberlin. Von 1977 bis 1989 war er Mitglied des Zentralvorstands des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR. Anlässlich seines Todes im Jahr 1995 schrieb der Musikwissenschaftler Jürg Stenzl: „Mit Schärfe und Pfiff, ganz undeutsch witzig und heiter, frech und genau wie Villon und Heine, die er wie Arno Schmidt liebte, hat sich der Komponist Reiner Bredemeyer mit seiner Musik überall eingemischt, hat gerade dann Einspruch erhoben, wenn für ihn selbst nichts zu holen war.“ Bredemeyer vertonte unter anderem Texte von Nicolás Guillén, einem kubanischen Dichter, der sich auch der afrokubanischen Tradition verpflichtet fühlte.

Đặng Ngọc Long (1957, Nghệ An; lebt in Berlin)
Professor Đặng Ngọc Long ist Konzertgitarrist, Komponist und Schauspieler. Er absolvierte ein Studium der klassischen Gitarre an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und war von 1985 bis 1993 Schüler von Inge Wilczok. Heute wirkt Đặng Ngọc Long als künstlerischer Leiter des International Guitar Competition & Festival Berlin und ist Direktor der Musikschule Berlin-Gesundbrunnen. Im Jahr 2009 wurde Đặng Ngọc Long der Titel eines Honorarprofessors der Universität von Kirgisistan verliehen.

Leo Brouwer (1939, Havanna; lebt in Havanna)
Leo Brouwer ist klassischer Gitarrist, Dirigent und gilt als einer der bekanntesten zeitgenössischen Komponisten Kubas. Seine Werke für Gitarre wurden unter anderem von Professorin Inge Wilczok an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Ostberlin gespielt und gelehrt. Zusammen mit Morton Feldman war er 1972 Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD in Westberlin. Brouwer musste seine Karriere als Gitarrist in den frühen 1980er Jahren wegen einer Verletzung beenden. Er komponiert Werke für Gitarre, Klavier, Percussion und Orchester sowie Musik für Ballett und Film.

Ruth Zechlin (1926, Großhartmannsdorf – 2007, München)
Ruth Zechlin wurde 1950 Dozentin an der im selben Jahr gegründeten Hochschule für Musik Hanns Eisler in Ostberlin und übernahm dort 1969 eine Professur für Komposition. Im Jahr 1990 wurde sie Rektorin der Hochschule und war von 1990 bis 1993 Vizepräsidentin der Akademie der Künste zu Berlin. Zechlin komponierte unter anderem Kammermusik und Orchesterwerke sowie Musik für Hörspiele und Filme. Als Konzert-Cembalistin reiste sie durch zahlreiche Länder Europas. Am 28. Oktober 1989, wenige Tage vor dem Fall der Mauer, beteiligte sie sich neben vielen weiteren Künstler*innen und Intellektuellen an der Veranstaltung Gegen den Schlaf der Vernunft in der Erlöserkirche in Ostberlin. Zechlins Komposition Mobiles für Harfe Solo wurde bisher noch nie vor Publikum aufgeführt. 

Klaus Renft (1942, Jena – 2006, Löhma)
Klaus Renft Combo (1958 in Leipzig gegründet, 1975 durch DDR-Behörden aufgelöst, seit 1990 wieder aktiv)

Klaus Renft gründete 1958 die Klaus Renft Combo, die nach einem vorübergehenden Auftrittsverbot und einer Umbenennung ab 1967 wieder unter dem ursprünglichen Namen in der DDR aktiv war. Die Songs der Band handeln häufig von staatlicher Repression („Ketten werden knapper“), sind vielschichtig bis doppelbödig („Zwischen Liebe und Zorn“, „Ermutigung” oder „Nach der Schlacht“) und hinterfragen das von der Staatsmacht vorgegebene Ideal. 1975 entzog das Kulturministerium der DDR Renft die Zulassung als Musiker, was zur Auflösung der Band führte. Er stellte einen Antrag auf Ausreise in die BRD und zog 1976 nach Westberlin. 1990 fanden einstige Mitglieder der Klaus Renft Combo wieder zusammen und sind seither in wechselnden Besetzungen aktiv.

Besetzung Zafraan Ensemble:
Emmanuelle Bernard, Viola/Violine
Clemens Hund-Göschel, Klavier
Liam Mallett, Flöte
Miguel Pérez Iñesta, Klarinette
Martin Posegga, Saxofon
Anna Viechtl, Harfe

Gastmusiker:
Regis Molina, Perkussion
Đặng Ngọc Long, Gitarre