8.4.2010–2.1.2011

Bicentenario

Themenschwerpunkt 200 Jahre Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika

Konzerte, Filme, Ausstellung, Diskussionen

Vor 200 Jahren begannen in Lateinamerika die Unabhängigkeitsbewegungen, die zur Befreiung von der spanischen Kolonialherrschaft führten. Unter dem Begriff „Bicentenario“ wird in Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, El Salvador, Kolumbien, Mexiko, Paraguay, Uruguay und Venezuela durchaus kontrovers der Ereignisse um 1809-11 gedacht, als die damaligen Kolonien aufbegehrten. Künstler und Intellektuelle, Musiker und Schriftsteller, Theatermacher und Filmschaffende aus Lateinamerika entwickeln im Haus der Kulturen der Welt zum „Bicentenario“ differenzierte Bestandsaufnahmen der politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Verhältnisse auf dem Kontinent.

Mit einer Hommage an den uruguayischen Musikstar Rubén Rada beginnt der Themenschwerpunkt im April 2010 im Rahmen der Serie „Lifelines”. Mit seiner Neuinterpretation der Candombe-Kultur am Río de la Plata hat Rubén Rada die verdrängte Geschichte der afrikanischen Diaspora ins öffentliche Bewusstsein Uruguays und Argentiniens gebracht. Gerade die Geschichte der indigenen und afro-amerikanischen Bevölkerung wurde von den kreolischen Eliten Lateinamerikas lange Zeit ignoriert.

Einem speziellen Aspekt der Kolonialgeschichte gilt das Projekt „Das Potosí-Prinzip“, das im Mai 2010 im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid eröffnet, im Oktober 2010 in Berlin und 2011 in La Paz, Bolivien, zu sehen sein wird. Es thematisiert anhand von monumentalen Kolonialgemälden aus der Potosí-Schule, die noch nie außerhalb Boliviens gezeigt wurden – und Werken zeitgenössischer Künstler in direkter Reaktion darauf – die systematische Ausbeutung des Vizekönigreichs Peru. Es zeigt sich aber auch: Nicht nur Rohstoffe, sondern auch materielle wie ideelle Bilder wurden vom kolonialen Lateinamerika nach Europa transportiert, während den indigenen Kulturen die christliche Ikonografie auferlegt wurde. Und weiter: Strukturen der Globalisierung sind hier ebenso angelegt wie Konstanten herrschender Weltbilder, die es in Frage zu stellen gilt.

Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse präsentiert das Haus der Kulturen der Welt mit den Literaturprogrammen „Gegengelesen“ und „Argentina en el equipaje“, dem diesjärigen Latinale-Programm, junge literarische Stimmen aus dem Gastland Argentinien. Das von Timo Berger und Rike Bolte und anderen kuratierte Programm bezieht sich auf die tiefgreifenden Erfahrungen Argentiniens als exemplarisches Einwanderungs- und Auswanderungsland.

Geplant ist eine Zusammenarbeit mit dem sozialen und künstlerischen Verlagsprojekt „Eloisa Cartonera”, das nach dem Wirtschaftskollaps in Buenos Aires entstand und mittlerweile in ganz Lateinamerika fortgesetzt wird: Angesichts der ständig wachsenden Zahl von „Cartoneros“, die ihren Lebensunterhalt mit Altpapier und Müllverwertung bestreiten, gründete der argentinische Autor Washington Cucurto seinen Verlag, mit dem er preiswerte Bücher für eine breite Öffentlichkeit und zugleich Arbeitsplätze für Cartoneros schuf.